„Es ist schier unglaublich, welche Debattenunkultur sich seit dem Brand in der Stallanlage in Alt Tellin entfaltet. Da werden ungeniert Äpfel mit Birnen verglichen. Da werden Unwahrheiten zu scheinbaren Fakten stilisiert – leider auch von seriösen Stellen. Hier wünschte ich mir insgesamt mehr Sachlichkeit und mehr Fachexpertise, auch und gerade im Umgang mit dem Landwirtschaftsminister Till Backhaus. Fest steht aber: Till Backhaus hat nie eine derart große Anlage haben wollen, die zudem noch völlig losgelöst von einer Bodenbewirtschaftung vor Ort produziert. Er legt Wert auf bodengebundene, von regional verankerten Landwirtschaftsbetrieben geführte Tierhaltung.
Rein rechtlich – weil es bei der Zulassung derartiger Anlagen nur um das Emissionsschutzgesetz geht, gab es jedoch gar keinen Ermessensspielraum für die Landesregierung. Darum ist jetzt auch egal, ob damals das Wirtschaftsministerium oder das Landwirtschaftsministerium zuständig war. Fest steht auch: Ja, Till Backhaus wirbt für mehr fleischveredelnde Produktionsstätten in Mecklenburg-Vorpommern. Das ist auch gut so, weil wir damit Arbeitsplätze und Wertschöpfung in unserem Land sichern. Denn Fleischveredelung in MV heißt schlicht und ergreifend Herstellung in der Heimat. Die anfallende Gülle oder der produzierte Mist sind zudem sehr positiv für unsere Böden. Sie liefern nicht nur wertvolle Nährstoffe als Düngemittel für die Pflanzen, sondern sind maßgeblich für die Bildung von Humus und den Wasserhaushalt im Boden verantwortlich.
Und dann kommen wir doch mal zum eigentlichen Thema: dem Tierwohl und dem Tierschutz. Kein anderes Thema wird so heuchlerisch debattiert wie das Wohl und der Schutz der Tiere in der Landwirtschaft. Natürlich fordern seit Jahren grundsätzlich alle ein Umsteuern in der Nutztierhaltung. Das war auch damals Thema, als es um den Bau der Anlage in Alt Tellin durch den Investor Herrn Straathoff ging. Solange aber weder auf Bundesebene noch auf Europaebene klare, neue Standards für das Tierwohl in unseren Landwirtschaftsbetrieben eingeführt werden, kann man es auch sein lassen, den Schwarzen Peter zwischen Verbrauchern, Landwirtschaftsbetrieben, Lebensmitteleinzelhandel und Politik hin und her zu schieben. Solange es Preisdumping geben wird, solange gibt es auch Landwirtschaftsbetriebe, die im In- und Ausland irgendwie versuchen, mit dem Preisdruck zurecht zu kommen. Genau das geht leider oft zu Lasten der Tiere. Denn wer wenig Erlös pro Tier bekommt, muss zwangsläufig die Tierhaltung aufgeben oder mit möglichst wenig Personal, Stallplatzkosten und Futtereinsatz zusehen, dass er trotzdem viele gesunde Tiere aufziehen kann. Solange wir also billige Produkte importieren und unsere Landwirtschaftsbetriebe unter Preisdruck gesetzt sind, zahlen die Tiere den Preis dafür, dass es am Ende Fleisch, Eier und Milchprodukte zum Schnäppchenpreis gibt. Solange die Betriebe im Rahmen des rechtlich erlaubten produzieren, kann man ihnen wohl kaum einen Vorwurf daraus machen.
Was wir also brauchen, ist endlich eine ehrliche, zukunftsorientierte Debatte über Tierwohl in der Landwirtschaft. Wir brauchen die Bereitschaft, massiv Geld in die Hand zu nehmen, um die Landwirtschaftsbetriebe beim Umbau ihrer Stallanlagen zu unterstützen. Wir brauchen Importverbote oder Importzölle für Lebendtiere, Fleisch, Fleischerzeugnisse und andere tierische Produkte, die nicht nach unseren Standards produziert wurden. Wie sonst sollen wir unsere Landwirtschaftsbetriebe vor dem enormen Kostendruck durch billige Importe schützen? Wir brauchen klare Förderkriterien, die nicht nur auf das Tierwohl, sondern auch auf regionale Kreisläufe und Wertschöpfungsketten abzielen. Wie sonst sollen wir eine weitere Konzentration von beispielsweise Schlachtkapazitäten und damit verbunden weite Transportwege für die Tiere vermeiden? Was wir aber nicht brauchen ist, dass ein Landwirtschaftsminister für etwas nach dem geltenden Recht Mögliche an den Pranger gestellt und bedroht wird und ihm Lügen unterstellt werden.“