Dass Haushaltsdebatten schon an sich eine relativ langwierige Veranstaltung sein können, ist bekannt. Mit den separaten ausführlichen Debatten zu den Einzelplänen und einer Flut von Änderungsanträgen sowie dem denkwürdigen Auftritt eines Oppositionsführers hat sich die Haushaltsdebatte gestern und heute aber besonders in die Länge gezogen - ohne allerdings an den Grundfesten der Haushaltskonsolidierung zu rütteln. Denn eine Neuverschuldung und den Griff in die Rücklage wird es mit der Koalition von SPD und CDU nicht geben.
Der Landtag hat heute - nach zweitägigen Beratungen - den Doppelhaushalt 2014/2015 (Drs. 6/2000) mit einem Gesamtvolumen von 7,295 Milliarden Euro für 2014 und 7,391 Milliarden Euro für 2015 beschlossen. Der Haushalt beinhaltet zudem eine Ausgleichsrücklage in Höhe von 677,7 Mio. € für das Jahr 2014 und 631,3 Mio. € für das Jahr 2015. Ebenfalls beraten wurde das Haushaltsbegleitgesetz (Drs. 6/1999 und Drs. 6/2399), dass das Verfahren zwischen Landesregierung und Landtag/Finanzausschuss zur Ausreichung von Werftenbürgschaften regelt. Darin enthalten ist die Obergrenze von 200 Mio. Euro, die im parlamentarischen Verfahren (Verhandlung über Bundesbürgschaften/ Rückbürgschaften) auf 400 Mio. Euro angehoben werden muss. Das Gesetz enthält einen Katalog von Bürgschaftskriterien, die vom Antragsteller immer zu erfüllen sind. Ebenfalls geregelt wird mit dem Begleitgesetz die Änderung des Landwirtschaftssondervermögensgesetzes, das das Sondervermögen für die Anteilsfinanzierung von Konversionsflächen des Bundes (z.B. der Truppenübungsplatz Lübtheen), für Gewässer erster Ordnung (Vorfinanzierung von EU-Mitteln wegen Neubeginn der Förderperiode in 2014) öffnet.
Nach der gestrigen Einbringung des Haushaltes durch den Finanzausschussvorsitzenden Torsten Koplin, der es leider wieder an parteipolitischer Neutralität mangeln ließ, erläuterte der finanzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Tilo Gundlack die Grundzüge des Haushalts. Mit dem Doppelhaushalt setze die SPD-CDU-Koalition deutliche Schwerpunkte im Bildungsbereich von der Kita bis zur Hochschule sowie bei der Stärkung der Kommunen. So betrügen die Gesamtausgaben für den Bereich Bildung und Kultur nunmehr 1,535 Mrd. Euro im Jahr 2014 und 1,570 Mrd. Euro in 2015. Das sei eine beträchtliche Steigerung in Höhe von 110 Mio. Euro für 2014 bzw. 145 Mio. Euro für 2015 gegenüber dem Haushaltsjahr 2013. Ein Kernanliegen der SPD-Landtagsfraktion in den kommenden Jahren seien weitere Maßnahmen für bessere Kitas und Krippen. Dabei gehe es nunmehr vor allem um die Steigerung der Qualität, etwa durch kleinere Gruppen, z.B. 15 Kinder ab 2016. Die für die Kindertagesförderung im kommenden Jahr zur Verfügung gestellten 171 Millionen Euro seien fast eine Verdopplung im Vergleich zum Jahr 2006. Zudem erhielten die Schulen und Berufsschulen im Rahmen der Bildungsoffensive ab 2014 50 Millionen Euro zusätzlich im Jahr, z.B. für attraktivere Bedingungen für das Lehrpersonal, ein Programm gegen Unterrichtsausfall und die bessere Ausstattung der Ganztagsschulen und Halbtagsgrundschulen. Auch die Hochschulen bekämen rund 17 Millionen Euro mehr als im Haushaltsentwurf zunächst vorgesehen. Und die Kommunen unterstütze der Haushalt mit einer Sonderhilfe in Höhe von 100 Millionen Euro. Hinzu kämen Investitionen in die Infrastruktur wie Straßenbau oder Wohnraumförderung, z.B. mit einem Sonderprogramm in Höhe von 10 Millionen Euro für Fahrstühle und Lifte für altersgerechte Wohnungen. Dank dieser seriösen Finanzpolitik der Landesregierung und der Koalitionsfraktionen stemme man diese Zukunftsinvestitionen, ohne dabei neue Schulden aufnehmen zu müssen. Auch wenn der Haushalt keine planmäßige Schuldentilgung enthalte, plädiere er im Übrigen dafür, mögliche Überschüsse für die Tilgung zu verwenden. Bei der Opposition sei für ihn im Übrigen keinerlei Kurs zu erkennen, außer dem Schlechtreden des Haushaltes, ohne bezahlbare Alternativen anzubieten.
LINKEN-Fraktionschef Helmut Holter kam mit den altbekannten und fantasielosen Vorwürfen ans Pult - die Regierung habe den Haushalt durchgepeitscht und die Vorschläge der Opposition ignoriert. Um seiner Kritik an der - seiner Auffassung nach - zu hohen Ausgleichsrücklage mehr Überzeugungskraft zu verleihen, wedelte Holter zwischenzeitlich mit großen Geldscheinen, was von der amtierenden Landtagspräsidentin als Verstoss gegen die Geschäftsordnung gewertet wurde. Zu beinah tumultartigen Szenen kam es dann anschließend, als Holter sich als Kabarettist versuchte und ein offensichtlich selbstgeschriebenes Stück über einen in Sachen Bürgschaftsvergabe vermeintlich benachteiligten Koalitionsabgeordneten und seinen bösartigen Fraktionsvorsitzenden vortrug, was weder lustig noch realitätsnah war.
Eben diese peinliche One-Man-Show bezeichnete CDU-Fraktionschef Vincent Kokert als "Verzweiflungstat" eines Oppositionsführers, der seinem Auftrag im Parlament nicht gerecht werde. Man müsse die Frage stellen, wie ernst die LINKE das Parlament nehme, nicht nur wegen des "Theaters", sondern auch wegen der Flut von Änderungsanträgen auf dem letzten Drücker, mit der man die Abgeordneten während der Haushaltsdebatte offensichtlich am Nasenring führen wolle. Einzige "innovative Idee" der Opposition sei, sich an der Rücklage zu vergreifen, woran die Koalitionäre aber keine Luft lassen würden. Auch Kokert zeigte sich zuversichtlich, dass zu den 540 Mio. Euro, die getilgt werden konnten seit die CDU mit regiere, bis 2015 noch eine beträchtliche Summe hinzukommen werde.
Jürgen Suhr wies zunächst den im Vorfeld geäußerten Vorwurf zurück, die GRÜNEN hätten die Haushaltsverhandlungen mit Anhörungen und den aktuellen Änderungsanträgen verkompliziert. Im folgenden versuchte er akribisch, Widersprüche zwischen früheren Äußerungen des Ministerpräsidenten und den aktuellen Haushaltsschwerpunkten zu konstruieren, was aber nur mäßig gelang. Weniger theatralisch als Holter äußerte auch er Kritik am Haushaltsbegleitgesetz bzw. dem Verfahren zur Verabredung von Werftenbürgschaften zwischen Landesregierung und Landtag.
Finanzministerin Heike Polzin gab zu, im Laufe der Debatte bereits große Probleme gehabt zu haben, die Fassung zu bewahren. Geld sei schlichtweg kein Allheilmittel, wie beispielseise die Debatte um die Inklusion beweise, die nur in zweiter Linie mit Geld zu tun habe. Alle Fachminister stünden im Übrigen bereit, zu ihrem Ressort umfänglich Auskunft zu geben - so wie es auch schon in den Ausschussitzungen üblich war. Zur Kritik an einzelnen Ministern stellte Polzin fest, dass man nicht Verantwortung tragen kann, ohne auch mal unpopuläre Entscheidungen treffen zu können. Auch sie ärgere sich besonders über die Zugriffsversuche der Opposition auf die Bürgschaftsrücklage. Diese Rücklage fließe zum einen planmäßig ab, zum anderen werde es bei Fälligwerden von Bürgschaften brenzlig, wenn diese Mittel dann nicht zur Verfügung ständen. Spätestens seit der Werftenkrise müsse doch auch der Opposition klar geworden sein, dass der Ernstfall eintreten kann. Was wäre denn passiert, wenn diese Mittel über zwei Jahre für zusätzliche Programme verplant gewesen wären, fragte sie in Richtung Opposition. Hätten Holter oder Suhr den Betroffenen dann das Ende dieser Maßnahmen verkündet? Dass Interessenvertreter stets mehr Geld forderten, sei ihrer Auffassung nach legitim, verantwortungsvolle Parlamentarier dürften diesem Prinzip aber nicht folgen.
Im Anschluss an die Rede der Finanzministerin gab es noch weitere Diskussionsbeiträge allgemeiner Art, und die Einzelpläne wurden dann bis in den Nachmittag des zweiten Sitzungstages durch die jeweiligen Fachpolitiker debattiert. Diese Einzelbeiträge aus beiden Sitzungstagen dokumentieren wir mit den Videos der sozialdemokratischen Rednerinnen und Redner.
Allgemeine Beiträge zum Haushalt - Heike Polzin und Jochen Schulte
Einzelplan 4 - Innen - Heinz Müller und Rainer Albrecht
Einzelplan 15 Energie - Rudolf Borchert
Einzelplan 7 Bildung und Kultur - Ingulf Donig, Andreas Butzki und Dr. Margret Seemann
Einzelplan 8 - Agrar - Thomas Krüger
Einzeplan 10 - Soziales - Martina Tegmeier und Julian Barlen
Zum Abschluss der mehrstündigen Debatte wurde der Doppelhaushalt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen beschlossen. Die Oppositionsfraktionen stimmten erwartungsgemäß gegen den Haushalt.