Das bisherige Bildungsfreistellungsgesetz subventionierte in der Vergangenheit eher die berufliche Fortbildung der Unternehmen im Land. Ehrenamt und politische Bildung fielen dabei häufig "hinten runter" oder die Mittel waren schon im ersten Quartal des Jahres abgeschöpft. Mit dem neuen Gesetz wird sich das erfreulicherweise ändern, doch in der Landtagsdebatte stritten Koalition und Opposition immer noch engagiert über das Beratungsverfahren im Bildungsausschuss. Emotional wurde es aber auch, weil Dr. Margret Seemann ihre letzte Rede hielt ...
In zweiter Lesung hat der Landtag heute das Bildungsfreistellungsgesetz M-V (Drs. 6/2122) beraten und beschlossen. Ziel des Gesetzes ist die Stärkung der Fort- und Weiterbildung in den Bereichen des Ehrenamtes und der politischen Bildung, indem künftig zwei Drittel der für die Freistellung zur Weiterbildung vorgesehenen Haushaltsmittel dafür reserviert werden. Damit wird auch eindeutig der Freistellungsanspruchs des Arbeitnehmers vom Erstattungsanspruch für den Arbeitgeber entkoppelt. Hintergrund: Durch das „Windhundprinzip" war es in der Vergangenheit dazu gekommen, dass etwa 7/8 der Haushaltsmittel an Arbeitgeber flossen, deren Beschäftigte eine berufliche Weiterbildung besuchten, so dass der Etat in Höhe von 188.000 € in der Regel bereits im 1. Quartal jeden Jahres erschöpft war. Danach wurde Arbeitnehmern der Freistellungsanspruch versagt. Künftig wird die Erstattung bei beruflicher Weiterbildung auf ein Drittel der Haushaltsmittel begrenzt und es wird nur ein verringerter Ansatz von 55€/Tag pauschal erstattet. Mit der neuen Regelung kann jetzt mehr als das Fünffache der bisherigern Freistellungen für Weiterbildungen in der politischen Bildung und im Ehrenamt erfolgen.
Zunächst erfolgte die Einbringung des Gesetzentwurfes durch CDU-Redner Torsten Renz, der den Diskussionsprozess im Bildungsausschuss erläuterte und auf Änderungen am ursprünglichen Gesetzentwurf der Landesregierung hinwies. So habe man auf Anregung der Kommunalverbände die Konnexitätsfolgen betrachtet und mit dem Bildungsministerium eine Evaluierung des Gesetzes vereinbart, um mögliche Fehlentwicklungen erkennen zu können.
Auch SPD-Bildungsexpertin Dr. Margret Seemann, die ihre letzte Rede vor dem Amtsantritt als Bürgermeisterin in Wittenburg hielt, ging auf die Beratungen ein, die leider vom Bruch einiger Abmachungen mit den Grünen geprägt gewesen seien. Diese hätten mit einer zwischenzeitlich geplanten Anhörung beinahe das Inkrafttreten des Gesetzes zum Jahresanfang gefährdet, was bedeutet hätte, dass die Haushaltsmittel zum nächstmöglichen Termin des Inkrafttretens bereits wieder für berufliche Weiterbildungsmaßnahmen verbraucht gewesen wären. Sie selbst sei im Übrigen zunächst der Auffassung gewesen, dass die betriebliche Weiterbildung komplett von den Unternehmen zu tragen sei, habe sich aber von der IHK überzeugen lassen, das kleinere Unternehmen zum Teil Hilfe bräuchten. Auch eine Beschränkung auf bestimmte Unternehmensgrößen wäre möglich gewesen - nun habe man sich aber auf die Drittel-Lösung für die berufliche Fortbildung verständigt. Die neuen Regelungen seien jedenfalls eine deutliche Verbesserung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur bisherigen Situation. Aus ihrer Sicht wurde damit ein für alle Seiten gangbarer Weg für die berufliche, ehrenamtliche und politische Bildung gefunden. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssten nun zügig über die bessere Förderung der ehrenamtlichen und politischen Bildung informiert werden, damit sie entsprechende Anträge für das Jahr 2014 stellen und die zur Verfügung stehenden Mittel in Anspruch nehmen könnten.
LINKEN-Redner Henning Foerster wies auf die völkerrechtliche Verpflichtung der Bundesrepublik von 1974 hin, bezahlten Bildungsurlaub einzuführen. Die Bundesländer hätten sich seitdem weitgehend selbst geholfen - Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2001 unter Rot-Rot. Mit dem jetzigen Gesetz verschlechtere sich die Lage seiner Auffassung nach, weil es eine Beschränkung der Fortbildungszeit auf 5 Tage und eine Deckelung der Freistellung im Verhältnis zur Mitarbeiterzahl gebe. Auch fehle eine belastbare Folgekostenabschätzung mit Blick auf das Konnexitätsprinzip. Die LINKE plädiere im Übrigen für eine Beschränkung beruflicher Fortbildung auf Unternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitern. Das Argument, dass dann nur noch Steuerbüros und Rechtanwälte begünstigt würden, stimme nicht, da ein Großteil der Betriebe in dieser Größenordnung im Bereich Handwerk, Handel und Dienstleistung angesiedelt sei. Auch er warb dafür, das Gesetz stärker zu bewerben, damit die Mittel nun letztlich auch für den gestärkten Bereich der politischen Bildung und des Ehrenamtes abfließen.
Ulrike Berger von den GRÜNEN bedauerte, dass der ursprüngliche Gesetzentwurf der Landesregierung kurz vor der Schlussabstuimmung noch von den Koalitionsfraktionen mit einem Änderungsantrag modifiziert wurde. Dieser Änderungsantrag enthalte nun leider wieder Einschränkungen und sei weniger arbeitnehmerfreundlich. Die Koalition habe wohl stutzig gemacht, dass die Grünen den Ursprungsentwurf eins zu eins für gut befunden hätten, witzelte sie. Die jetzigen Einschränkungen gingen über den Schutz kleinerer Unternehmen aber hinaus. Insbesondere die Regelungen zum öffentlichen Dienst seien missverständlich. Was sei beispielsweise eine einzelne Behörde, wo doch deren Größe und Struktur nicht klar definiert sei. Hier werde es jedenfalls eine Menge bürokratische Probleme geben, prognostizierte Berger. Die Vorwürfe Seemanns, dass die Grünen mit einer Anhörung das Gesetz zum Schaden der Arbeitnehmer gefährden wollten, wies sie zurück. Man habe eine Anhörung lediglich erwogen. Trotz dieser Misstöne würden die Grünen dem Gesetz aber nun zustimmen.
In der Folge lieferten sich Henning Foerster und Torsten Renz noch ein kleins Rededuell, weil Foerster sich zunächst geweigert hatte, eine Zwischenfrage zu beantworten. Inhaltlich fruchtbar war dieser Disput allerdings nicht .
Das Gesetz erhielt letztlich die Stimmen der Koalitionsfraktionen von SPD und CDU sowie der Grünen. Die LINKE enthielt sich.