In seiner „Aktuellen Stunde" debattierte der Landtag heute auf Antrag der LINKEN über Konsequenzen aus der rechtsextremen NSU-Mordserie. Die Aufdeckung der Mordserie jährt sich im November 2014 zum dritten Mal.
Der Innenexperte der LINKEN, Peter Ritter, betonte gleich zu Beginn, dass seine Fraktion mit der Umsetzung der Handlungsempfehlungen des Bundestagsuntersuchungsausschusses nicht zufrieden ist. Der Reform- und Aufklärungswille der beteiligten Behörden liege nahe Null. Wer angesichts dieser Tatsache von Profilierungssucht der LINKEN spreche, wenn diese das Thema zur Aktuellen Stunde mache, habe den Ernst der Lage immer noch nicht erfasst. Die Bundesrepublik bzw. ihre Sicherheitsbehörden stünden aber eindeutig in der Schuld der Opfer und ihrer Angehörigen, weshalb es unbedingt Veränderungen geben müsse, die der Landtag im Übrigen auch in einem interfraktionellen Antrag gefordert habe – incl. eines jährlichen Berichtes zum Stand der Dinge. Insbesondere bei der Neuausrichtung des Verfassungsschutzes sehe seine Fraktion aber keinerlei Veränderungen. Seine Fraktion fordere deshalb noch einmal nachdrücklich die akribische Berichterstattung über den Stand der bzw. die Pläne zur Umsetzung der Handlungsempfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses.
Innenminister Lorenz Caffier versicherte, das der geforderte Bericht dem Landtag planmäßig vorgelegt werde. Natürlich werde das Thema NSU durch die Landesregierung gründlich aufgearbeitet, weshalb das Thema für eine politische Instrumentalisierung gänzlich ungeeignet sei, zumal bereits mehrfach umfassend berichtet wurde. Im Anschluss zählte Caffier einige konkrete Maßnahmen auf, wie beispielsweise die geänderte polizeiliche Praxis, fremdenfeindliche Hintergrunde immer zu prüfen und diese Prüfung zu dokumentieren sowie die Überprüfung ungeklärter Straftaten – koordiniert durch das nationale Abwehrzentrum. Hierfür würden auch die Lehrpläne der Polizeiaus- und -fortbildung an der Güstrower Fachhochschule entsprechend angepasst. Bezüglich der Klagen über die unzureichende Informationsweitergabe des Verfassungsschutzes an die Strafverfolgungsbehörden befinde man sich wegen des nach wie vor geltenden Trennungsprinzips in einem Dilemma, das nur vom Bundesgesetzgeber abgestellt werden könne. Der Einsatz von V-Leuten werde aber bereits neu geregelt.
SPD-Extremismus-Experte Julian Barlen stellte fest, dass die tatsächlichen Gefahren rechtsextremer Ideologie und Gewalt viel zu lange systematisch unterschätzt wurden. Das dürfe nie wieder geschehen. Daraus müssten alle Verantwortlichen lernen und wirksame Maßnahmen gegen rechtsextreme Strukturen und Aktivitäten ergreifen. Dies gelinge nur durch eine ehrliche Analyse der Defizite, einen nachhaltigen Wandel im Gefahrenbewusstsein und vor allem durch konkrete Reformen. Die NSU-Aufarbeitung müsse dazu führen, dass systematische Fehler in der Ermittlungsarbeit zukünftig vermieden würden und es zu einem Mentalitätswandel komme. Das gelte unabhängig davon, ob im Land tatsächlich Fehler gemacht wurden. Benötigt würden zukünftig mehr Transparenz, Vernetzung und Kommunikation in der polizeilichen Ermittlungsarbeit und ein diskriminierungsfreier Umgang mit den Opfern. Der Kampf gegen Rechts sei aber kein Wettlauf der politischen Kräfte, so hätten es die demokratischen Fraktionen auch Ende 2013 mit ihrem interfraktionellen Antrag bewiesen. Dieses gemeinsame Agieren wäre auch jetzt besser als der Alleingang der LINKEN. In Richtung des Innenministers betonte Barlen: Lorenz Caffier habe das NPD-Verbotsverfahren vorbildlich vorangebracht, deshalb geht die SPD-Fraktion davon aus, dass er mit gleichem Engagement auch das NSU-Debakel aufarbeiten werde. Die Koalition bekenne sich zur Verantwortung gegenüber den Mordopfern und ihren Angehörigen und stehen für eine demokratische, offene und tolerante Gesellschaft - gestern, heute und auch in der Zukunft.
Grünen-Fraktionschef Jürgen Suhr sagte, dass es berechtigt sei, das Thema in der Aktuellen Stunde zu behandeln, solange der Landtag und die Landesregierung keine konkreten Reformschritte eingeleitet hätten. Der interfraktionelle Antrag liege nunmehr ein Jahr zurück, dieser Zeitraum sollte durchaus gereicht haben, um etwas anzuschieben. Im Gegenteil: Es sei unakzeptabel, dass bisher kaum etwas passiert sei, zumal man im Grunde nur tun müsse, was der NSU-Untersuchungsausschuss und die Innenministerkonferenz empfohlen habe: Standards bei V-Leuten, Vernetzung der Behörden sowie Öffnung und stärkere Kontrolle des Verfassungsschutzes. Auch die GRÜNEN würden weiter Druck machen.
Wolf-Dieter Ringguth (CDU) zeigte sich in erster Linie verwundert, dass sich die Aktuelle Stunde nicht mit dem naheliegenden Ereignis des 25. Mauerfalljubiläums beschäftige. Die Themenwahl werfe deshalb ein interessantes Bild auf das Selbstverständnis der LINKEN zu den bedeutenden historischen Ereignissen. Innenmister Lorenz Caffier stehe im Übrigen mit Herzblut gegen Rechts. Der geforderte Bericht werde pünktlich kommen und die Gremien des Landtages hätten das Thema regelmäßig auf der Tagesordnung gehabt. Das Thema nun vor Erscheinen des Berichtes auf die Tagesordnung zu setzen, sei hingegen kontraproduktiv und widerspreche dem Ansinnen eines gemeinsamen Vorgehens. Abschließend forderte er die Opposition auf, nicht zu versuchen, in dieser Sache einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu installieren. Dies wäre dem Thema nicht angemessen, zumal die Situation in anderen Bundesländern nicht mit Mecklenburg-Vorpommern vergleichbar gewesen sei.