Schon Erwachsene sind mit dem Thema Datenschutz im Netz zum Teil überfordert. Doch wie sollen Kinder und Jugendliche die allgegenwärtig lauernden Gefahren erkennen und vor ihnen geschützt werden? Dieser Frage widmete sich heute der Landtag in einer interessanten Debatte.
Mit ihrem Antrag „Besserer Schutz von Minderjährigen bei digitalen Diensten" (6/3419) hat die Koalition auf Initiative der SPD das besondere Schutzbedürfnis für Daten von Minderjährigen auf die Tagesordnung gebracht. So soll es laut Antrag weder aufgrund eines gesetzlichen Erlaubnistatbestandes, noch aufgrund einer individuellen Einwilligung zulässig sein, Daten von Minderjährigen zu Werbezwecken zu verarbeiten, zu übermitteln und zu nutzen. Gleiches gilt für die Erstellung von Nutzungs- und Persönlichkeitsprofilen. Hintergrund: Das wettbewerbsrechtliche Werbeverbot kann derzeit nur zivilrechtlich durch die nach § 8 UWG anspruchsberechtigten Personen und Einrichtungen durchgesetzt werden. Um dem damit verbundenen Durchsetzungsdefizit zu begegnen, soll neben den zivilrechtlichen Ansprüchen eine ordnungsrechtliche Sanktionsmöglichkeit geschaffen werden.
SPD-Neue Medien-Experte Patrick Dahlemann zeigte zunächst seine Freude, dass sich am heutigen Tage zwei von vier Tagesordnungspunkten mit Kinderrechten befassten. Zur eigentlichen Frage arbeitete Dahlemann mit einem interessanten Gleichnis zwischen analoger und digitaler Konsumwelt (siehe Video), das verdeutlichte, wie das Speichern und Verwerten von Daten quasi der digitale Alltag sind, dem sich nicht nur Kinder nur unter großem Aufwand entziehen könnten. Erwachsene könnten aber im Gegensatz zu Kindern bewusst entscheiden und wüssten in der Regel zumindest ansatzweise, wie die digitale Verkaufsmaschinerie funktioniere. Man wolle Kindern derartige Fähigkeiten natürlich nicht pauschal abreden, aber man müsse sie natürlich vorbeugend schützen. Deshalb freue sich die SPD-Fraktion, dass Till Backhaus das Thema bei der Verbraucherschutzministerkonferenz in Rostock-Warnemünde bereits aufgegriffen habe und es zu einem einstimmigen Beschluss gekommen sei. Verbraucherschutz sei in dieser Frage auch Datenschutz! Deshalb fordere der Antrag das Thema auch auf europäischer Ebene zu forcieren, wo sich die Datenschutz-Grundverordnung leider wie eine Never-Ending-Story lese. 2015 könne endlich der Trialog zwischen Parlament, Kommission und Rat beginnen. Und als letztes sterbe bekanntlich die Hoffnung. Mit der europäischen Datenschutz-Grundverordnung solle dabei das Prinzip der Einwilligung gestärkt werden, in dieser Frage sei das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb nicht ausreichend. Zukünftig bedarf es ordnungsrechtlicher Sanktionsmöglichkeiten - ein positives Beispiel sei hier im Fall der unerlaubten Telefonwerbung zu verzeichnen. Punkt 2 des Antrages enthalte im Übrigen eine Initiative auf nationaler Ebene. Darin geht es um den Schutz von Kindern vor entgeltlichen Erweiterungen in Spielen, die ursprünglich gratis angeboten würden, dann aber zur Zahlung hoher Summen verleiteten, in dem sie bewusst auf kindliche Emotionen und Bedürfnisse abzielten.
Verbraucherschutzminister Dr. Till Backhaus zitierte zunächst einige Studien über den Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen. Fazit des Ministers, die Kontrolle durch die Eltern schwinde, weil der Konsum nicht mehr am heimischen PC, sondern an mobilen Geräten stattfinde. Deshalb müsse die Erziehung heute dahin gehen, Kinder zur Vorsicht im Umgang mit Handys und Computern und zur Datensparsamkeit zu bewegen. Diese Bemühungen ständen leider in Konkurrenz zu Netzteilnehmern, die die Regeln des Datenschutzes und des Persönlichkeitsrechtsschutzes oft wissentlich oder gar gezielt missachteten. Wo immer die Verbraucherinnen und Verbraucher den Anbietern strukturell unterlegen seien, müsse der Gesetzgeber aber für einen angemessenen Ausgleich sorgen. Das tue er, indem er den Verbraucherinnen und Verbrauchern eigene Rechte gebe. Die bisherigen zivilrechtlichen Ansprüche gegenüber unlauteren Anbietern reichten dafür aber nicht aus. Flankierend sollte deshalb auch eine ordnungsrechtliche Sanktionsmöglichkeit geschaffen werden, mit der man die „schwarzen Schafe" auch mal an die Kandare nehmen könne. Man müsse daher alle Aktivitäten unterstützen, den Schutz der Persönlichkeitsrechte der Kinder und Jugendlichen durch entsprechende Regelungen bereits in der EU-Datenschutz-Grundverordnung zu stärken und zwar so, dass es weder auf Grund eines gesetzlichen Erlaubnistatbestandes noch einer individuellen Einwilligung zulässig sei, Daten Minderjähriger für Werbezwecke jedweder Art zu verarbeiten, zu übermitteln und zu verwenden bzw. Nutzungs- und Persönlichkeitsprofile zu erstellen. Man dürfe aber nicht nur nach Brüssel zum EU-Gesetzgeber schielen. Sollte es auf EU-Ebene gar nicht oder zumindest in naher Zukunft nicht möglich sein, geeignete Regelungen zu schaffen, so sollten die Spielräume, die das EU-Recht belasse, für Regelungen auf nationaler Ebene genutzt werden, so z.B. bei der Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages. Hiermit befasse sich bereits eine Arbeitsgruppe der Landesregierung unter Mitwirkung des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Noch bis zum 17. November 2014 könnten Bürgerinnen und Bürger unter www.ideen-jugendmedienschutz.de über die Themen Altersstufen, Jugendschutzprogramme, Jugendschutzbeauftragte und die Stärkung der Einrichtungen der freiwilligen Selbstkontrolle beraten und diskutieren. Ihre Bildungsoffensive im Umgang mit Medien aller Art durch Kinder und Jugendliche, beginnend bereits im Vorschulalter, werde die Landesregierung ebenfalls konsequent fortsetzen.
André Brie von der LINKEN dankte Minister Backhaus, der sich wirklich als Verbraucherschutzminister gezeigt habe. Inhaltlich stimme die LINKE dem Antrag zu, obwohl es sich weitgehend um die Empfehlung der Verbraucherschutzministerkonferenz von Mai 2014 in Rostock handele.
CDU-Redner Vincent Kokert beschrieb die Thematik aus der Sicht des Familienvaters, dessen Kinder sich offensichtlich relativ leicht Zugang zu seinem iPad verschafft hätten, um sich dort zumindest einen Überblick über bestimmte Spielzeugangebote zu verschaffen. Tatsächlich befinde das bürgerliche Recht im digitalen Bereich derzeit im Grenzbereich der Wirksamkeit, so dass Handlungsbedarf bestehe. Auch wenn der Antrag daran zunächst nicht viel ändern werde, dürfe man sich natürlich nicht wegducken. Das Thema werde jedenfalls ein zentraler Punkt für die Zukunft sein.
Johannes Saalfeld von den GRÜNEN gab Kokert in der Sache recht, hinterfragte aber, warum die Kanzlerin die EU-Datenschutz-Grundverordnung zuletzt blockiert habe. Die GRÜNEN beschäftigten sich natürlich schon länger mit Thema, natürlich auch um den Datenschutz für Erwachsene, bei dem es im Land auch noch andere Baustellen gebe, die gerade vor Gericht ausgefochten werden. Insofern könne man dem Antrag zwar zustimmen, hätte aber einige Haare in der Suppe gefunden.
Patrick Dahlemann zeigte sich am Ende der Debatte zufrieden mit der Zustimmung der Demokraten zum Anliegen des Antrages und verwies noch auf einige interessante Initiativen, z.B. die Ausbildung der Medienscouts, die Computerspielschule Greifswald sowie den Medienkompass und empfahl den Film „Jugend 3.0 – mit Sicherheit im Netz", der dort gratis abrufbar ist.
Der Antrag erhielt die Zustimmung aller Demokraten im Landtag.