Heute hat mit mehr als 1000 Teilnehmer*innen die 12. Nationale Maritime Konferenz in Rostock begonnen. Ein zentrales Thema dabei ist die Suche nach einer europäischen Schiffbau-Strategie im Wettbewerb mit der Konkurrenz aus China. Dazu erklärt Jochen Schulte, wirtschaftspolitscher Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag Mecklenburg-Vorpommern:
„Die maritime Wirtschaft ist mit rund 50 Milliarden Euro Umsatz eine der stärksten Industriebranchen in Deutschland. Sie sorgt natürlich mit Arbeitsplätzen in den Werften und Häfen im Norden für wirtschaftliches Wachstum, aber eben nicht allein. Zig Tausende Jobs partizipieren in der Baubranche ebenso wie bei Zulieferern und Dienstleistern. Damit geht es bei maritimer Wirtschaft keineswegs um vermeintliche Seefahrerromantik als vielmehr um knallharte Wirtschaftsinteressen. Umso wichtiger ist es, die Maritime Wirtschaft jetzt gemeinsam gut durch die Krise zu steuern. Von Bund bis Landtag sollten wir alle alles dafür tun, möglichst jeden Arbeitsplatz zu erhalten. Wir brauchen den Maritimen Industriestandort in Mecklenburg-Vorpommern, um die Zukunft Tausender Familien zu sichern. Aber Deutschland braucht die Maritime Wirtschaft im Nordosten auch, um den Anschluss an die globalen Netzwerke aufrecht zu erhalten und um unnötige Abhängigkeiten Europas an den asiatischen Markt zu verhindern. Wenn der Schiff- und Bootsbau zunehmend den Asiaten überlassen wird, dann werden auf lang oder kurz ganze Logistikbereiche zusammenbrechen, die auf eine Lieferung über das Meer angewiesen sind. Wie solche Lieferabhängigkeiten aussehen können, haben wir zu Beginn der Pandemie bei der Maskenbeschaffung hautnah erleben können. Genau das wollten wir zukünftig – egal in welchen Bereichen – verhindern.
Umso unverständlicher sind die Äußerungen des Koordinators der Bundesregierung für die Maritime Wirtschaft, Norbert Brackmann, der von einem nicht sinnvollen ‚Subventionswettlauf mit den Chinesen, die ihre Schiffbauindustrie stark fördern‘, spricht. Hier stellt sich mir die ketzerische Frage: Was will Herr Brackmann? Sein verteufelter Subventionswettlauf ist eine absolut verkürzte und verquere Debatte. Vielmehr geht es um die wirtschaftliche Selbstständigkeit Deutschlands und Europas und damit um die Zukunftsfähigkeit eben durch den Schiffbau. Wenn Bundes- und Landesregierungen nicht auch weiterhin in die Maritime Industrie investieren, geht das zulasten unserer gesamten Volkswirtschaft. Dann brechen Arbeitsplätze in vielen vor- und nachgelagerten Branchen weg.
Wir haben im Nordosten hochmoderne und extrem innovative Standorte, die den Wettbewerb weder mit China, noch irgendeinem anderen maritimen Mitbewerber zu scheuen brauchen. Jedoch damit das so bleibt, brauchen wir jetzt beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern endlich eine Entscheidung vom Bund für die Sicherung der MV Werften. Wir haben jetzt und hier im Norden, in unserem Bundesland, die notwendige Fachexpertise und die qualifizierten Fachkräfte sitzen, die es jetzt gilt, für die Zukunftsfähigkeit Gesamtdeutschlands zu sichern. Dabei geht es eben nicht um das Verschleudern von Steuergeld an einen chinesischen Investor, sondern ganz konkret um die Zukunft von Tausenden Arbeitsplätzen, von Tausenden Familien und auch der logistischen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit Deutschlands und Europas im maritimen Bereich. Dafür muss der Bund aber auch jetzt endlich eine kurzzeitige finanzielle Unterstützung für die MV Werften befürworten, um genau diese Zukunftsfähigkeit nach der Pandemie nicht leichtfertig verspielt zu haben. Vielleicht würde an dieser Stelle auch helfen, wenn der Koordinator Brackmann erklärt, was er unter Verhandlung mit der chinesischen Konkurrenz auf Augenhöhe versteht und wie seine Konzepte aussehen, wenn es bei ihm eben nicht um Subventionswettbewerb geht. Denn mit seinem jetzigen Ansatz würde im schlimmsten Falle nur der jetzt vorhandene Kompetenzvorsprung auf dem maritimen Sektor in Mecklenburg-Vorpommern komplett verspielt. Das kann wohl nicht der politische Wille auf dem Weg durch die Pandemie sein, auch nicht als Signal an Ostdeutschland auf dem Weg hin zu gleichwertigen Lebensverhältnissen in ganz Deutschland und schon gar nicht für dessen wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit.
Für den maritimen Industriestandort Mecklenburg-Vorpommern ist es wichtig, dass sich heute in Warnemünde und Rostock Fachexter*innen und Politiker*innen zur Maritimen Konferenz treffen. Allerdings ist es bezeichnend, dass ausgerechnet dort seit Monaten Tausende Menschen um ihre Jobs und die Zukunft ihrer Familien bangen und der Bund nicht in die Gänge kommt. Als Landtag haben wir zusammen mit der Landesregierung bislang das Sterben des Maritimen Industriestandortes abwenden können, indem wir für die MV Werften die sogenannte Lockbox immer wieder für eine Überbrückungs- und Zwischenfinanzierung geöffnet haben. Nun wird es jedoch aller höchste Zeit, dass der Bund Farbe bekennt und für diese Branche mit politischen Entscheidungen einsteht.“