Die Demografie spricht eine deutliche Sprache: Der Anteil von älteren Menschen in Mecklenburg-Vorpommern steigt kontinuierlich. Die Zahl der Pflegebedürftigen folgt dieser Tendenz. Und auch wenn von niemandem bestritten wird, dass Menschen solange wie möglich im vertrauten häuslichen Umfeld leben wollen, muss doch ein qualitativ hochwertiges und differenziertes Pflegeangebot vorgehalten werden für den Fall, dass ein selbstständiges Leben nicht mehr möglich ist. Genau diesem Ziel zeigt sich ein heute verabschiedetes Gesetz verpflichtet, das absichtlich nicht mehr als "Heimgesetz" bezeichnet wurde.
Der Landtag hat heute das "Gesetz zur Förderung der Qualität in Einrichtungen für Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen sowie zur Stärkung ihrer Selbstbestimmung und Teilhabe" (Einrichtungenqualitätsgesetz EQG M-V) (Drs. 5/2843) in zweiter Lesung verabschiedet. Hintergrund ist die Föderalismusreform I, nach der die Zuständigkeit für das Heimrecht - mit Ausnahme des Heimvertragsrechts - an die Bundesländer übergegangen ist, die in der Folge nun Landesheimgesetze erlassen müssen. Vorrangiges Ziel des Gesetzes ist es, die Selbstbestimmung und Teilhabe der Pflegebedürftigen in Einrichtungen zu stärken. Außerdem werden die in Nummer 238 der Koalitionsvereinbarung festgelegten Ziele – Öffnung für neue Wohnformen, Deregulierung und Entbürokratisierung sowie Stärkung des Verbraucherschutzes – umgesetzt. Die Neuregelungen orientieren sich an der Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen des Runden Tisches Pflege sowie den aktuellen betreuungs- und pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen. Kernanliegen des EQG M-V sind der Schutz der Interessen und Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner. Das Leistungsangebot und die Qualität der Betreuungs- und Pflegeleistungen sollen transparenter gemacht und damit der Verbraucherschutz verbessert werden.
SPD-Sozialministerin Manuela Schwesig sprach in ihrer Rede von einem modernen Gesetz und lobte insbesondere den Runden Tisch, der sich als außerordentlich zweckdienlich erwiesen habe. Äußeres Merkmal der Modernität sei, dass man sich vom althergebrachten Begriff "Heim" gelöst habe. Dennoch wurde nicht alles umgeworfen. Bewährtes - wie etwa die Zusammenarbeit der Prüfinstanzen - blieb erhalten. Bei den neuen Wohnformen sei man dem Prinzip gefolgt: Soviel Selbstbestimmung wie möglich und soviel Schutz und Betreuung wie nötig. Auch die Rolle des Ehrenamtes sei nun klarer definiert und geschützt. Mit einem Augenzwinkern zeigte sich die Ministerin im Übrigen erfreut darüber, dass es ihr bei diesem Gesetz offensichtlich voll und ganz gelungen sei, die CDU zu überzeugen, da diese bereits vor Verabschiedung des Gesetzes einen entsprechenden Flyer in Umlauf gebracht hätte.
Während André Specht (CDU) das Gesetz erwartungsgemäß ebenfalls begrüßte, insbesondere die Passagen für mehr Transparenz und zum Bürokratieabbau, startete LINKEN-Politikerin Irene Müller zum Frontalangriff. Sie habe nichts gefunden, was über bestehende Gesetze von Land und Bund hinausgehe. Einige Elemente des Gesetzes würden gar Bundesrecht brechen, die kulturelle Betreuung fehle gänzlich und ambulante Wohnformen hätten im Gesetz nichts zu suchen, weil weder Betreiber noch Bewohner unter ein Heimgesetz fallen wollten.
Auf das letzte Argument reagierte SPD-Pflegeexperte Jörg Heydorn besonders scharf: "Auch und gerade Bewohner von alternativen Wohnformen haben Anspruch auf Schutz und Kontrolle. Deshalb muss der Betrieb von solchen Wohnformen angezeigt werden. Das ist der Staat den Pflegebedürftigen schuldig." Heydorn brach in seiner Entgegnung auch eine Lanze für die Pflegekräfte: Ihr Beruf sei sehr anstrengend, man werde nicht als gleichwertig mit dem ärztlichen Bereich betrachtet und die Mitarbeiterinnen hätten nur beschränkte Entwicklungsmöglichkeiten.
Der Vorsitzende des Sozialausschusses, Ralf Grabow (FDP), zeigte sich zwar entäuscht, dass einige FDP-Anträge in den Ausschussberatungen wenig Beachtung gefunden hatten, lobte aber insgesamt die ungewöhnlich breite Diskussion mit Verbänden, Heimbetreibern und dem Ministerium. Seine Partei hätte gerne eine bundeseinheitliche Regelung gehabt, die aber aufgrund der damaligen bundespolitischen Gemengelage nicht möglich gewesen sei.
Das Gesetz wurde mit den Stimmen der Koalition verabschiedet. Die FDP enthielt sich, die LINKE lehnte das Gesetz ab.