SPD Landtagsfraktion Mecklenburg Vorpommern

SchweineEingeworfene Scheiben beim Bürgermeister von Klein Tellin wurden schnell mit dessen Befürwortung einer im Ort geplanten Tierhaltungsanlage in Verbindung gebracht. Neben der polizeilichen Aufarbeitung des Vorfalls wird im Land aber auch die Frage diskutiert, wie weit militante Gegner von Großprojekten zu gehen bereit sind, wenn das rechtsstaatliche Genehmigungsverfahren nicht zum gewünschten Ergebnis führt. Eine interessante Debatte mit überraschend vielen Facetten.

Mit dem Antrag "Keine Gewalt unter dem Deckmantel des Tierschutzes" Drs. 5/3884 haben die Koalitionsfraktionen heute die Anwendung von Gewalt im Zusammenhang mit dem Betreiben und der Errichtung von Tierhaltungsanlagen abgelehnt und gleichzeitig ein Bekenntnis zu artgerechter Haltung und Tierschutz in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung abgelegt. Auch die SPD-Fraktion sieht im Zusammenhang mit der Errichtung von großen Tierhaltungsanlagen durchaus Konfliktfelder, sowohl im Hinblick auf ökologische Probleme und Fragen des Tierschutzes, als auch bezüglich der Kollission mit den Interessen betroffener Bürger. Der rechtliche Rahmen für die Genehmigung solcher Anlagen wird von EU und Bund vorgegeben. Die Genehmigungsbehörde prüft in diesem Rahmen die Einwendungen und berücksichtigt sachgerechte Hinweise bei ihrer Entscheidung. Am Ende steht ein Ergebnis nach einem rechtsstaatlichen Verfahren. Dieses darf nach Auffassung der Koalition nicht durch die Anwendung von Gewalt, gegen wen auch immer, in Frage gestellt werden.

Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus betonte zu Beginn der Debatte, dass er Mecklenburg-Vorpommern in Sachen art- und tierschutzgerechter Haltung von Nutztieren an einer Spitzenposition sehe. Die Tierhaltung sichere viele Existenzen im ländlichen Raum, wobei das Land Mecklenburg-Vorpommern im Verhältnis zu anderen Bundesländern eine relativ geringe Tierhaltungsdichte habe. Von weit verbreiteter Massentierhaltung könne also nicht die Rede sein. Zu bedenken gab Backhaus, dass nicht einmal Niedersachsen mit einer der höchsten Tierhaltungsquoten signifikante Einbrüche beim Tourismus zu verzeichnen habe. Vielmehr mache er sich große Sorgen über die Nicht-Akzeptanz rechtlich begründeter Verwaltungsverfahren durch militante Tierschützer. So etwas schrecke potenzielle Investoren ab. Der Bevölkerung attestierte Backhaus ein teilweise mangelndes Interesse an der Herkunft ihrer Lebensmittel. Fast alle wollten wenig für ihr Essen bezahlen, aber dennoch eine Tieraufzucht „wie bei Oma auf dem Dorf“.

Beate Schlupp von der CDU-Fraktion, die offensichtlich unter dem Eindruck juristischer Abmahnungen der Tierschutzorganisation PETA sprach, stellte zunächst klar, dass sich der Antrag weder gegen den friedlichen Protest von Bürgerinitiativen, noch gegen Einwände von Umweltverbänden richte. Es gehe ihr bei solchen Protesten nicht um das Ob, sondern um das Wie, denn radikale Anschläge wie zuletzt in Klein Tellin machten offensichtlich auch vor Menschen nicht halt. Schlupp verurteilte schließlich die Diffamierungstaktik und die Undercovermethoden bestimmter Organisationen, die letztlich dazu führen würden, dass deren Ernsthaftigkeit und moralische Integrität leiden.

Peter Ritter von der Fraktion DIE LINKE distanzierte sich gleich zu Beginn seiner Rede deutlich von Gewalt als Mittel des politischen oder fachlichen Widerstandes. Der Antrag sei aus seiner Sicht jedoch nur ein Vorwand, um die Aktivitäten gegen geplante Tierhaltungsanlagen von Bürgerinitiativen und Tiersschutzorganisationen zu diffamieren und deren Mitglieder in Misskredit zu bringen. Dies gelte auch für Teile der Presse, die die Gegner von Großmastanlagen als potenziell gewaltbereite Protestierer darstellten. Die hofierten Investoren seien im Übrigen beileibe nicht immer Bauern, sondern vielfach Agrarindustrielle.

Die Tierschutzexpertin der der SPD-Landtagsfraktion, Angelika Peters, bekannte sich in ihrem Redebeitrag zur artgerechten Tierhaltung und zur kompromisslosen Anwendung des Tierschutzes – und lehnte jede Form von Gewalt entschieden ab. Berechtigte Einwendungen würden bei der SPD selbstverständlich Gehör finden. Wer allerdings in den ländlichen Raum ziehe und sich dann am Quiecken von Schweinen störe, habe schlichtweg die falsche Entscheidung bezüglich seines Wohnorts getroffen. Insgesamt gehe es hier um die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit nach EU-und Bundesrecht. Das heiße aber auch, betonte Angelika Peters, dass bestehende Anlagen nach der Genehmigung die Vorschriften (z.B. hinsichtlich der Geruchsbelästigung) beachten müssten. Abschließend offenbarte Peters ein gewisses Verständnis für anonyme Nachforschungen und unangekündigte Kontrollen, um schwarzen Schafen in der Branche effektiv das Handwerk legen zu können.

Die Liberalen mit ihrer Sprecherin Sigrun Reese, die das Land in der Tierproduktion noch unterrepräsentiert sehen, lehnten ebenfalls militante Aktionen ab, sahen aber keine Notwendigkeit für parlamentarische Bekenntnisse in diesem Zusammenhang. Deutschland sei eines der ersten Länder mit einem in der Verfassung verankerten Tierschutz, jede Konstruktion eines Zusammenhangs zwischen großen Anlagen und Tierschutzverstößen sei eine pauschale Verunglimpfung der Tierhalter.

Dem Antrag wurde mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen zugestimmt.