SPD Landtagsfraktion Mecklenburg Vorpommern

wanderungDer demografische Wandel ist seit einigen Jahren in aller Munde. Dort, wo er sich als Abwanderung junger Menschen, stetigem Geburtenrückgang und Überalterung der Gesellschaft darstellt, sind intelligente Lösungen gefragt, um auf Dauer überlebensfähig zu bleiben. In Mecklenburg-Vorpommern haben sich deshalb zunächst alle Ressorts an einen Tisch gesetzt, um eine Bestandsaufnahme durchzuführen und daraus Strategien zu entwickeln. Dass das erst der Anfang sein konnte, daran ließen die Redner der heutigen Debatte keinen Zweifel.

Mit einer Regierungserklärung des Ministerpräsidenten zum Strategiebericht der interministeriellen Arbeitsgruppe (IMAG) "Demografischer Wandel" (Drs.5/4126) startete die heutige Sitzung Landtages. Arbeitsauftrag der IMAG war zum einen die Bestandsaufnahme der Konsequenzen, Handlungsbedarfe und eingeleiteten Maßnahmen im Land und zum anderen die Entwicklung ressortübergreifender Strategien und weiterführender Ideen zum Umgang mit dem demografischen Wandel. Dabei ging es um Themen wie „A“ wie Abwasser bis „Z“ wie Zugang zu sozialen Einrichtungen. Der Bericht soll im Dialog mit Vertretern unterschiedlicher gesellschaftlicher Institutionen, z. B. dem Max-Planck-Institut, der Uni Rostock, dem Rostocker Zentrum zur Erforschung des Demografischen Wandels usw. fortgeschrieben werden.

Ministerpräsident Erwin Sellering ermutigte in seiner Regierungserklärung dazu, die Folgen des demografischen Wandels offensiv zu gestalten und Nutzen daraus zu ziehen.  Man müsse die Zukunft gestalten statt verwalten. Das Land müsse so attraktiv sein, dass Jung und Alt gerne hier lebten und sich ihre Zukunft in Mecklenburg-Vorpommern aufbauen könnten. Eine der größten Herausforderungen sei es, den Fachkräftebedarf der Unternehmen zu sichern. Dazu sei ein ganzer Strauß an Maßnahmen notwendig. Ganz oben stehe gute Bezahlung. Als Niedriglohnland habe das Land keine Chance. Das Land müsse auch die öffentliche Infrastruktur, die Daseinsvorsorge und die Verwaltung auf eine geringer werdende Bevölkerungszahl und eine älter werdende Gesellschaft ausrichten. Ganz oben stehe dabei eine gute, ortsnahe Grundversorgung. Auch eine gute Gesundheitsversorgung sei entscheidend. Er könne sich vorstellen, dass junge Mediziner für eine begrenzte Zeit in einer bestimmten Region arbeiten, etwa als Angestellte einer nahen Klinik. Dann wären ihnen auch stationäre Tätigkeiten möglich. Es habe sich gezeigt, dass Lösungen zum Umgang mit dem demografischen Wandel nicht nur von Staat und Politik kommen könnten. Die könnten nur anstoßen, begleiten und helfen, Hindernisse zu beseitigen. Für die Lösungen selbst brauche man Initiative und Engagement der Menschen vor Ort. Deshalb müsse man auch Ehrenamtliche noch besser unterstützen. Insgesamt müsse es angesichts zurückgehender Gelder aus dem Solidarpakt II und aus der Ziel 1-Förderung der EU schnell gehen. 2020 müsse man auf eigenen Beinen stehen. Die solide Haushaltspolitik müsse deshalb fortgesetzt werden, und es gelte, die Mittel stärker in den Zukunftsbereichen Bildung, Familie und Kinder zu konzentrieren sowie Schwerpunkte in der Wirtschaftspolitik zu setzen. Als Beispiel nannte er die Erneuerbaren Energien.

LINKEN-Fraktionschef Helmut Holter bezeichnete die Menschen als den größten Reichtum des Landes. Um so mehr vermisse er im Bericht die zentrale Idee. Es sei zwar offensichtlich vieles angeschoben, aber noch nichts gelöst. Der Papier beinhalte keine Strategie, sondern sei nur ein Sachbestandsbericht, so die Kritik. Ihm fehlten die strategischen Richtlinien und die Flexibilität für die Zukunft Mecklenburg- Vorpommerns. Die Regierung gehe rein quantitativ von den Zahlen aus, aber neue Ansprüche würden nicht formuliert. Seine Partei stehe für mehr Verantwortung und mehr Entscheidungskompetenzen für die Kommunen, gebündelte und tragfähige Strukturen der Daseinsfürsorge in den Regionen und die Forderung nach einem Mindestlohn, den der Ministerpräsident zwar immer wieder fordere, von dem im Papier aber nicht die Rede sei.

CDU-Redner Wolf-Dieter Ringguth warf der LINKEN hingegen vor, während der rot-roten Koalitionfür 10 verlorene Jahre verantwortlich gewesen zu sein. In den letzten 4 Jahren, also seit Beginn von Rot-Schwarz, habe das Land einen guten Sprung nach vorne gemacht hat. Und obwoh viel gelungen sei, gebe es noch viele Herausforderungen. Als Beispiel nannte er die flächendeckende Breitbandversorgung, die gleich viele Fliegen mit einer Klappe schlagen könnte, flexibles Arbeiten, kürzere Wege und schnelles Agieren. Ehrenamtler würde er zudem gern mit zusätzlichen Rentenpunkten entschädigen und junge motivierte Lehrer sollten wenn möglich verbeamtet werden, um sie im Land zu halten oder sie ins Land zu holen.

FDP-Fraktionschef Michael Roolf warf Sellering vor eine Wahlkampfrede gehalten und nicht als Ministerpräsident geredet zu haben. Die Beweise dafür blieb er allerdings schuldig. In einem historischen Ausflug, stellte er die These auf, dass das Land eine natürliche Bevölkerungszahl habe, der erst nach dem 2. Weltkrieg durch künstliche Besiedlung übermäßig erhöht wurde, so dass sich nun quasi wieder das normale Verhältnis einstellen werde - bei ca. 1,5 Mio. Einwohnern. Im Moment mache man gerade viele Fehler. So würden berufliche Sonderschulen geschlossen, es gebe zu wenig Schulsozialarbeiter und die Kresigebietsreform werde das Ehrenamt deutlich erschweren. Es sei dennoch gut, dass der Bericht ressortübergreifend erstellt worden sei, aber den Liberalen fehlten letzlich die Konsequenzen aus dem im Bericht erhobenem Sachstand.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Heinz Müller, sprach von einer ziellosen Diskussion der Opposition, da sie sich an Einzelbeispielen festhalte. Die Studie sage sehr viel aus sich heraus, was nicht im Detail kommentiert werden müsse. Die Opposition wolle sich offensichtlich als Geisterjäger profilieren, um die selbst an die Wand gemalten Gespenster zu verjagen. Es amüsiere ihn übrigens, die wandelnden Positionen einer ehemaligen und einer aktuellen Oppositionspartei zum Thema Auswirkungen der Kreisgebietsreform zu beobachten. Der Wert der Unterrichtung liege jedenfalls darin, dass das Thema einer systematisierten Betrachtung unterzogen wurde. Angesichts der Differenzierung und der strategischen Informationen, sei das Papier nicht für den Aktenschrank geeignet, sondern werde das Land begleiten - wenn auch nicht unverändert. Der demografische Wandel sei im Übrigen kein Phänomen des Landes. Wichtig sei, dass man ihn als Aufgabe und nicht als Bedrohung sehen muss. Dazu gehöre, ersteinmal die Realitäten zur Kenntnis zu nehmen, um sie dann zu meistern.