In Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention hat Mecklenburg-Vorpommern ein erfolgreiches Modellprojekt zur Inklusion auf der Insel Rügen auf die Beine gestellt. In Auswertung dieses Modellprojektes gab es parlamentarische Anhörungen und eine vielbeachtete Fachkonferenz der SPD-Landtagsfraktion. Deren Ergebnisse schlugen sich nun in einem Antrag nieder, mit dem erste Anlaufschwierigkeiten gelöst werden sollen, um die flächendeckende Einführung eines integrativen und inklusiven Schulsystems zu einem vollen Erfolg zu machen.
Mit ihrem Antrag "Rahmenbedingungen für integrative Bildung verbessern" (Drucksache 5/4197) haben die Koalitionsfraktionen heute auf Initiative der SPD zwei wichtige Änderungen bzw. Prüfaufträge auf den Weg gebracht. Zum einen soll das PmsA (Personal mit sonderpädagogischer Aufgabenstellung) ebenfalls bei der Vergütung von besonderen Leistungen und beim Fortbildungsbudget der Schule berücksichtigt werden. Zum anderen soll geprüft werden, ob den Schulen - insbesondere den Grundschulen - ein Grundbudget von Stunden zur sonderpädagogischen Förderung im Gemeinsamen Unterricht (GU) bzw. für Integration zur Verfügung gestellt werden kann. Außerdem soll untersucht werden, ob Mentorenleistungen nicht nur über einen Geldbetrag, sondern auch in Form von Stundenminderung vergütet werden können.
SPD-Bildungsexperte Mathias Brodkorb stellte in seiner Einbringung fest, dass es heute definitiv keine Generaldebatte zur Inklusion geben werde, wie vielleicht einige angesichts der aktuellen Diskussionen um die Übernahme des Rüganer Modellprojektes auf andere Kreise erwartet hätten. Es gehe lediglich um drei Punkte, die nicht einmal unmittelbar mit dem Thema Inklusion bzw. Integration verbunden seien. Es stelle sich hier nämlich die Frage, ob es sein kann, dass Pädagogen am gleichen Arbeitsort unterschiedlich behandelt würden, so wie es derzeit bei den PmsA-Kräften der Fall sei. Diese würden nämlich im Budget der Schulen für besondere Leistungen und Fortbildungen nicht berücksichtigt. Darüber hinaus gebe es die Prüfaufträge bezüglich der Vergütung bzw. Stundenminderung für Mentorenleistungen sowie die Anlaufschwierigkeiten im diagnostischen Dienst, wobei hier noch die Frage sei, ob es sich wirklich um Anlaufschwierigkeiten oder um ein strukturelles Problem handele. Man könne in der Tat nicht sechs Monate auf eine Diagnostik warten und währenddessen Schüler und Lehrer bezüglich der Mittelzuweisung im Ungewissen lassen. Hier analog dem Prinzip der schülerbezogenen Mittelzuweisung zu verfahren, wäre für Lehrer wie Schüler eine deutliche Erleichterung. Brodkorb sprach von einer "Blitzaktion" im parlamentarischen Verfahren: die Anhörungen lägen erst wenige Wochen zurück und schon behandele man die Themen im Landtag.
Bildungsminister Henry Tesch sprach noch einmal vom überproportional hohen Anteil an Förderschülern im Land und verteidigte das System der Integration und Inklusion. Der Förderschulabschluss sei eben kein anerkannter Abschluss in Deutschland, so dass die Beibehaltung althergebrachter Fördersysteme zu einer Fülle verpasster Chancen führen würde. Es würden aber Förderschulbereiche bestehen bleiben, z. B. in den Bereichen Hören, Sehen und schwere geistige Behinderung. Integration und Inklusion komme im Übrigen dem Wunsch der Eltern nach wohnortnaher Beschulung sehr entgegen.
LINKEN-Bildungsexperte Andreas Bluhm befand, dass die Zielstellungen des Antrages mit denen seiner Fraktion übereinstimmen würden. Der Antrag sei aber ein Placebo-Prüfauftrag, den Regierungsfraktionen eigentlich nicht nötig hätten. Bezüglich der im Antrag formulierten Grundbudgetvorschläge stellte Bluhm die Frage, ob dies in der Konsequenz nicht dazu führen werde, dass z.B. nach Einbeziehung der PmsA-Kräfte pro Kopf weniger zur Verfügung stehen würde. Insofern wäre noch einmal zu klären, wie hoch auskömmliche Budgets überhaupt sein müssten. Am Schluss zählte der LINKE noch eine Reihe von Prüfaufträgen an das Bildungsministerium auf, die bereits vor längerer Zeit erteilt worden waren und immer noch offen seien. Deshalb sehe seine Fraktion keinen Sinn darin, diesen noch nicht abgearbeiteten Prüfaufträgen weitere hinzuzufügen.
FDP-Bildungsexperte Hans Kreher begnügte sich damit, die Kritik der LINKEN aufzunehmen, indem auch er Zweifel an der Ernsthaftigkeit dieses Antrages äußerte. Es handele sich wieder einmal um einen Prüfantrag der Koalition kurz vor Ablauf der Wahlperiode. Als ehemaliger Lehrer sei es ihm wichtig, dass seine Kollegen nicht immer wieder aufs Neue verunsichert würden. Andererseits forderte er aktionistisch, nicht immer nur zu prüfen, sondern zu handeln.
Dem Antrag wurde mit Änderungen auf Grundlage eines Änderungsantrages der FDP von SPD, CDU und FDP zugestimmt. Die LINKE lehnte den Antrag ab.