Eigentlich tritt das Land Mecklenburg-Vorpommern bereits seit einigen Jahren auf die Schuldenbremse. Dem Prinzip der einsichtigen Freiwilligkeit folgt nun eine Verankerung des strikten Schuldenverbots in der Landesverfassung. Ausgerechnet die Mitinitiatoren des Konsolidierungskurses und des ersten Haushalts ohne Neuverschuldung im Jahre 2006 haben sich allerdings der Schuldenbremse verweigert. Schlüssige Argumente für ihre Verweigerungshaltung blieben sie aber schuldig.
Mit einer deutlichen Zwei-Drittel-Mehrheit hat der Landtag heute die so genannte Schuldenbremse in der Landesverfassungverfassung verankert. 50 von 71 Abgeordneten stimmten für die Änderung des entsprechenden Artikels 65 Absatz 2 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Der Wortlaut des neuen Artikels orientiert sich am Artikel 109 Absatz 3 des Grundgesetzes. Danach müssen Bund und Länder ihre Haushalte grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten ausgleichen. Die heute verabschiedete Schuldenregelung gilt ab dem Haushaltsjahr 2020. Der neue Artikel 79a in der Landesverfassung enthält eine Übergangsregelung, wonach die Haushalte bis zum Haushaltsjahr 2019 so aufzustellen sind, dass die Vorgabe des neuen Artikels 65 Absatz 2 ab 2020 erfüllt wird.
Der Vorsitzende des federführenden Rechts- und Europausschusses Detlef Müller hob zunächst die Besonderheit einer Verfassungsänderung hervor. Immerhin handele es sich hier erst um die vierte Änderung seit Bestehen des Bundeslandes. Zudem würdigte er die hochkarätig besetzten Anhörungen während der Ausschussberatungen.
Ministerpräsident Erwin Sellering nannte die mit der Schuldenbremse getroffene Entscheidung, auch weiterhin nicht über die Verhältnisse leben zu wollen, als existenziell für eine Zukunft aus eigener Kraft. Das Land könne stolz sein auf 20 Jahre gemeinsamer Aufbauleistung und auf die enorme wirtschaftliche Dynamik, mit der man dichtauf hinter der Metropolregion Berlin-Brandenburg läge. Der Aufholprozess sei aber immer noch nicht abgeschlossen, zumal man berücksichtigen müsse, dass die Transferleistungen aus dem Solidarpakt bis zu ihrem Auslaufen im Jahre 2019 stetig zurückgehen werden. Deshalb müsse die bisher schon geltende Selbstverpflichtung, keine neuen Schulden zu machen, auch in der Verfassung verankert werden. Es sei gut, wenn man die Schuldenbremse nicht als Fessel empfinde, sondern aus eigener Einsicht handele - nicht erst ab 2020, sondern ab sofort. Die Umsetzung der Schuldenbremse künftigen Generationen ab 2020 zu überlassen und bis dahin noch fleißig Schulden zu machen, sei politisch feige.
LINKEN-Fraktionschef Helmut Holter sprach von keinem guten Tag für das Land. Eine Verfassungsänderung ohne die Stimmen seiner Partei durchzusetzen sei ein Tabubruch. Zum ersten Mal sei der Konsens der Demokraten ohne Not und aus wahltaktischen Gründen aufgekündigt worden. Zudem habe die Regierung dem Parlament diktiert, wo es langgehen soll. Die Fraktionen beschnitten sich damit selbst im Budgetrecht. Zur Sache selbst wies Holter darauf hin, dass seine Partei für stabile Finanzen stehe - zuletzt auch in der Regierungszeit mit der SPD. Die CDU hätte hingegen einen Schuldenhaufen an Rot-Rot übergeben. Der FDP warf er Wankelmütigkeit vor und verlieh Fraktionschef Roolf symbolisch für schlechte schauspielerische Leistung die Goldene Himbeere, wofür er einen Ordnungsruf kassierte.
Diesen Vorwurf der LINKEN nahm FDP-Fraktionschef Michael Roolf gelassen. Wenn die LINKE ihn derart würdige, habe er offensichtlich alles richtig gemacht. Roolf warf der LINKEN vor, ohne wirkliche Kompromissbereitschaft in das vermittelnde Gespräch mit dem Ministerpräsidenten gegangen zu sein. Ansonsten habe er insbesondere nach Einfließen der Änderungswünsche seiner Fraktion das gute Gefühl, eine echte Schuldenbremse zu verabschieden, die die Regelungen des Bundes nicht umgehe.
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion Angelika Peters betonte den Anspruch der Menschen auf seriöses Wirtschaften. Das Beispiel Griechenland zeige, wer andernfalls am Ende die Zeche zahlen müsse: nämlich die Bürgerinnen und Bürger! Soziales, Kultur und Sport wären ohne konsolidierte Haushalte nicht möglich, weil allein die Zinsen sämtliche Spielräume auffressen würden. Ausnahmen für Katastrophen seien im Übrigen in der Schuldenbremse enthalten, allerdings gebe es für solche Notfall-Kredite strenge Tilgungspflichten, die bei einer Kreditaufnahme fest verankert würden. Die Schuldenbremse nütze außerdem auch den Kommunen, weil ein finanziell ausgeblutetes Land auch nicht gut für die Kommunen sei. Insofern seien diesbezügliche Befürchtungen unbegründet.
Am Schluss der Debatte bezeichnete auch CDU-Fraktionschef Harry Glawe die Schuldenbremse als eine Entscheidung mit Weitblick und Augenmaß. Die erfolgreiche Finanzpolitik der Koalition finde ihre Fortsetzung, und die FDP habe Verantwortung bewiesen, während die LINKE immer nur neue Forderungen aufgemacht habe.