In seiner Regierungserklärung hat Ministerpräsident Erwin Sellering heute seine politische Agenda der nächsten fünf Jahre umrissen. Übergeordneter Schwerpunkt soll die Gestaltung von Zukunft aus eigener Kraft sein. Die Opposition suchte erwartungsgemäß nach dem Haar in der Suppe, blieb dabei aber weitestgehend erfolglos und zog sich auf die üblichen Platitüden und unrealistischen Forderungen zurück.
Erwin Sellering verzichtete bewusst auf die Darstellung aller Einzelheiten, die ohnehin im Koalitionsvertrag niedergeschrieben seien. Dafür schilderte er den generellen Kurs und seine Leitlinien, die zusammengefasst aus vier Herausforderungen bestehen: Kurs halten in der Wirtschaftsentwicklung, Einstellen auf rückläufige Finanzmittel von Bund und EU, sinnvoller Umgang mit dem demografischen Wandel und Wahrung des sozialen Zusammenhaltes. Die wichtigsten Aufgaben bestünden angesichts dieser Herausforderungen in der Schaffung und dem Erhalt auskömmlich bezahlter Arbeitsplätze, in der Aufrechterhaltung der öffentlichen Daseinsvorsorge trotz rückläufiger Bevölkerungszahlen, in der Fortführung der Maßnahmen für eine Energiewende und für die Verbesserung der Chancengleichheit von Frauen und Männern sowie Jungen und Alten. Weitere Aufgaben lägen nach Auffassung des Regierungschefs im Bereich der Schulen, wo er auf intensiven Dialog setze. Zu erreichen seien all diese Ziele nur mit einer weiterhin soliden Finanzpolitik, der er viel Platz in seiner Rede einräumte. Sellering schaute auch zurück und würdigte die Entwicklung der letzten 21 Jahre. In Umfragen bescheinigten die Bürgerinnen und Bürger dem Land eine gute bis sehr gute Entwicklung, auch wenn das im Grundgesetz verankerte Ziel gleicher Lebensverhältnisse noch nicht erreicht sei. Abschließend appellierte Sellering, gemeinsam gegen die Feinde der Demokratie vorzugehen und sich gegen Extremismus und Gewalt zu engagieren. (Die vollständige Rede finden Sie im Video.)
Der Oppositionsführer der LINKEN, Helmut Holter, kritisierte erwartungsgemäß die Rede des Ministerpräsidenten, indem er unterstellte, dass die Regierungserklärung den Anforderungen nicht gerecht geworden sei. Die Bürger würden sich fragen, was der Ministerpräsident eigentlich habe sagen wollen. Den Ausführungen Sellerings habe in erster Linie der Mut gefehlt, neue Wege zu gehen. Man könne vielmehr den Eindruck gewinnen, dass alles beim Alten beiben solle. Seine eigene Rede beinhaltete dann allerdings auch nichts Neues: So startete der Fraktionschef mit einer pauschalisierenden Generalkritik an der Schulpolitik, gefolgt von altbekannter Kritik an Struktur- und Personalentscheidungen des Ministerpräsidenten. Die in erfolgreichen Verhandlungen festgeschriebebene Zielsetzung eines Mindestlohns von 8,50 € bezeichnete er zudem als nicht ausreichend. Einzig beim NPD-Verbotsverfahren signalisierte Holter Zustimmung, forderte aber, dass zur Bekämpfung von Extremismus auch eine stärkere Beteiligung des Landes an den Kosten der Kultureinrichtungen nötig sei. Aussagen zur Finanzierung seiner Forderungen machte Holter wie üblich nicht.
SPD-Fraktionschef Dr. Norbert Nieszery stieg an dieser Stelle ein und kritisierte an Holters vermeintlicher Generalabrechnung, dass er noch nie so eine schwache Rede des Oppositionsführers zu einer Regierungserklärung gehört habe. Man merke der LINKEN auch etliche Wochen nach der Wahl immer noch an, dass sie beleidigt sei, nicht mitregieren zu dürfen. Zu den in der Regierungserklärung genannten Zielen Sellerings sagte Nieszery, dass sie klar und konkret formuliert seien, zudem realistisch, weil finanzierbar. Die Opposition, speziell die LINKE, habe hingegen keine eigenen Vorschläge vorgebracht, schüre Politikverdrossenheit und fordere unrealistische Zeitpläne ein, frei nach dem Motto: Wenn wir hier schon nicht gewinnen können, dann treten wir ihnen wenigstens ordentlich in die Knochen. Die plumpen Anbiederungsversuche der LINKEN seien im Übrigen zum Scheitern verurteilt. Schon gar nicht werde es der LINKEN gelingen, einen Keil in die Koalition zu treiben. Diese Oppositionsstrategie sei überdies wenig originell und allmählich langweilig. Zum Schluss machte Nieszery der Opposition aber das Angebot, in einen echten Wettstreit der Ideen zu treten.
GRÜNEN-Fraktionschef Jürgen Suhr begann seine Rede mit einer kleinen Stichelei. Er werde keinen Streit über die Urheberschaft beim Thema "Ausbau der erneuerbaren Energien als wirtschaftspolitische Strategie" vom Zaun brechen und bezog sich damit auf die von Norbert Nieszery reklamierte Meinungsführerschaft der Sozialdemokraten in Sachen Neue Energiepolitik. Er reduzierte die Rede Sellerings auf das Versprechen von Kontinuität in der Regierungsarbeit. Die Bürger würden aber mehr erwarten, als nur gut und verlässlich regiert zu werden. Suhr würdigte allerdings das Bekenntnis zu mehr Dialog und Diskussionsbereitschaft. Das habe in der letzten Legislatur gefehlt, beispielsweise bei der Diskussion über die Förderung der freien Schulen. Neu-Bildungsminsiter Mathias Brodkorb habe seiner Auffassung nach aber offenbar ein "Redeministerium" übernommen: reden mit den Schulen, reden mit den Theatern. Während er Ersteres begrüßte, sei es beim Thema Theater ein Armutszeugnis, lediglich die Vermeidung der Insolvenz einiger Häuser im Auge zu haben, während andere Theater im Regen stehen gelassen würden. Die Politik müsse im Land allgemein mehr vor Ort sein und das Gespräch suchen. Lob äußerte Suhr abschließend in Sachen Ihlenberg: „Da hat sich schon etwas bewegt in der Landesregierung, das begrüße ich ausdrücklich.“
CDU-Fraktionschef Vincent Kockert dankte dem Ministerpräsidenten für eine gelungene Regierungserklärung. Die Zusammenarbeit mit der SPD sei gut und erfolgreich. Weil man seit 2006 keine neuen Schulden gemacht habe, stehe das Land gut da und müsse nicht wie andere Länder in Berlin Rechenschaft ablegen. Die CDU stehe in der Regierung für Freiheit, Verantwortung und Subsidarität. LINKEN-Fraktionschef Holter benehme sich übrigens wie ein Verehrer, der von seiner Braut abgewiesen worden sei. Er solle lieber die Gelegenheit nutzen, auf dem Weihnachtsmarkt mit Sellering einen Versöhnungsglühwein zu trinken. Am Schluss seiner Rede hielt der CDU-Mann noch ein Plädoyer für den umstrittenen Bau eines neuen Plenarsaals, den hätten Parlamentarier, Bürger und Journalisten verdient.
Die Fraktion DIE LINKE bot am Ende der Debatte noch ihre Fachsprecher auf, um die Regierungserklärung in ihre inhaltlichen Bestandteile zu zerlegen. Angesichts des dabei mehrfach erhobenen Vorwurfs, die Regierung würde die Städte und Gemeinden im Regen stehen lassen, ging SPD-Kommunalexperte Heinz Müller noch einmal in die Bütt. Genüsslich zitierte er den Geschäftsführer des Städte- und Gemeindetages, der den kommunalpolitischen Kurs der Landesregierung ausdrücklich begrüßt habe und immer wieder die Bereitschaft der Städte und Gemeinden betont habe, ihren Teil zur Konsolidierung des Landes beizutragen.