Trotz des strengen Frostes und einsetzendem Schneefall hatten sich vor dem Landtag heute knapp 50 Demonstranten versammelt, um einem Antrag der LINKEN zur Schließung einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber Nachdruck zu verleihen. Für die Debatte hatte Innnenminister Caffier dann allerdings eine überraschende Botschaft mitgebracht, die die Sachlage komplett veränderte und der Diskussion eine neue Richtung gab.
Mit ihrem Antrag "Schließung der Gemeinschaftsunterkunft Jürgenstorf" (Drs. 6/260) hat die Fraktion DIE LINKE heute versucht, Mehrheiten für eine Aufforderung an die Landesregierung zu finden, darauf hinzuwirken, die kommunale Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerberinnen und Asylbewerber in Jürgenstorf bei Stavenhagen zu schließen und hierfür die notwendigen rechtlichen Regelungen zu treffen. Gemeinsam mit dem Landkreis Mecklenburgische Seenplatte solle die Regierung - so die Antragsteller - dafür sorgen, dass die Heimbewohner der Gemeinschaftsunterkunft Jürgenstorf dezentral in Wohnungen in größeren Kommunen untergebracht werden. Außerdem soll auf die Einrichtung weiterer kommunaler Gemeinschaftsunterkünfte im Land verzichtet werden. Stattdessen sollen Asylbewerber in Mecklenburg-Vorpommern grundsätzlich dezentral untergebracht werden.
In einer engagiert vorgetragenen Rede schilderte der LINKEN-Abgeordnete Hikmat Al-Sabty zunächst die Situation in Jürgenstorf: es handelt sich um ein ehemaliges Schulgebäude, das seit 2004 als Gemeinschaftsunterkunft dient und durchschnittlich 153 Asylbewerber beherbergt. Viele lebten seit mehreren Jahren dort, teilten sich mit anderen Bewohnern Zimmer, Küchen, Toiletten aber auch die Eintönigkeit. Viele seien verängstigt, verzweifelt und krank. Der nächste Ort mit Lebensmittelgeschäften, Stavenhagen, müsse für 1,50 € mit dem Bus angefahren werden, bei 40,90 € Taschengeld sei dies nicht oft finanzierbar. Der bauliche Zustand sei katastrophal, zudem gebe es bereits Ungeziefer. Aus den genannten Gründen müsse das Heim geschlossen werden. Auch eine bauliche Sanierung helfe nicht gegen die räumliche und soziale Isolierung der Bewohner.
Innenminister Lorenz Caffier hatte eine überraschende Information parat, wies aber zunächst die Forderung der LINKEN zurück, Gemeinschaftsunterkünfte generell abzuschaffen. Das sei weder nötig und angesichts stetig steigender Zugangszahlen auch nicht möglich. Allerdings hätte sein Ministerium den Brief der Heimbewohner ernst genommen und ein Treffen mit Betroffenen und Verantwortlichen durchgeführt. Ein Großteil der Vorwürfe habe sich dabei als haltlos herausgestellt. So habe es z.B. keine ausländerfeindlichen Übergriffe und keine fremdenfeindlichen Einstellungen an der Schule in Stavenhagen gegeben. Als richtig hätten sich allerdings die beschriebenen Baumängel erwiesen, für deren Beseitigung laut Gutachten 900.000 € notwendig wären. Da dieser Aufwand nicht vertretbar sei, habe man den Vertrag mit den Betreibern des Heimes, den Maltesern, zum 30. Juni 2013 gekündigt. Der Landkreis sei zudem aufgefordert worden, eine dezentrale Unterbringung zu organisieren. Der Bürgermeister von Stavenhagen habe bereits seine Unterstützung bei der Suche nach Unterkünften zugesagt.
SPD-Integrationsexpertin Martina Tegtmeier hob hervor, dass Mecklenburg-Vorpommern den vorhandenen Gestaltungsspielraum bezüglich dezentraler Unterbringung schon sehr gut nutze. Dies sei aber davon abhängig, dass auch Kapazitäten vorhanden seien. Zudem wisse sie aus Gesprächen, dass es auch Asylbewerber gebe, die nicht dezentral untergebracht werden könnten, weil es für die benötigte Betreuung dezentral Untergebrachter nicht genug Personal in den Sozialämtern gebe. Eine Erhöhung der Dezentraliserungsquote wäre dennoch erstrebenswert.
Marc Reinhardt von der CDU schlug eine Bresche für den Ort Jürgenstorf, den er durch die Debatte beschädigt sah. Jürgenstorf liege nicht in Zentralafrika. Es sei eine lebendige Gemeinde, in die viel investiert worden sei - so gebe es z.B. eine Turnhalle und einen Spielplatz in unmittelbarer Nähe der Unterkunft. Man habe auch mit dem Ziel der Integration ein Gartenfest sowie ein interkulturelles Fest durchgeführt. Reinhardt äußerte deshalb auch die Bitte, die Gemeinde Jürgenstorf nach Schließung der Unterkunft zu unterstützen.
Silke Gajek von den Grünen musste eingestehen, dass der Antrag auch von den Grünen gekommen sein könnte. Sie kritisierte den aktuellen Koalitionsvertrag, der zum Thema Dezentralisierung keine Aussagen treffe. Es sei traurig, dass sich die SPD in dieser Frage auf das Spiel des konservativen Koalitionspartners einlassen müsse. Die Bündnisgrünen seien schon lange für eine dezentrale Unterbringung, beim derzeitigen Wohnungsleerstand dürfte dies auch kein Problem sein. Während man in Berlin nur 9 % der Asylbewerber in Gemeinschaftsunterkünften unterbringe, seien es hier 69 %, höher sei die Zahl nur in Bayern. Die Ankündigung Caffiers sei übrigens aktuell keine Hilfe. Da jetzt vermutlich baulich nichts mehr gemacht werde, bleibe bis Juni 2013 alles beim Alten.
Dankbarer zeigte sich Hikmat Al-Sabty. Er sah die Forderungen des Antrages weitgehend erfüllt und schlug vor, nur noch über Punkt 3, also den grundsätzlichen Verzicht auf Gemeinschaftsunterkünfte, abzustimmen.
In der anschließenden Abstimmung erhielt der verbliebene Punkt 3 des Antrages nur die Stimmen der LINKEN und der Grünen.