SPD Landtagsfraktion Mecklenburg Vorpommern

kita-kinderUnter dem Titel "Frühkindliche Bildung stärken - Fernhalteprämie stoppen" hat der Landtag heute auf Initiative der SPD-Fraktion über die Pläne der Bundesregierung zur Einführung eines Betreuungsgeldes debattiert. Das Thema war in den letzten Tagen und Stunden noch einmal hochgekocht, unter anderem, weil CDU-interne Gegner des Betreuungsgeldes immer absurdere Kompromissvorschläge unterbreitet hatten, die den umstrittenen Gesetzentwurf aber im Zweifel nur verschlimmbessern würden.

 

 

SPD-Sozialexperte Jörg Heydorn, der die Aktuelle Stunde gewohnt engagiert eröffnete, sprach denn auch von einem topaktuellen Thema, bei dem ein fauler Kompromissvorschlag den anderen jage. Das Ziel der Bundesregierung, bis 2013 den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für alle Kinder unter drei Jahren zu realisieren, sei dabei völlig aus dem Blickfeld geraten und sei auch offensichtlich nicht zu erreichen, wenn man bedenke, dass derzeit immer noch annähernd 230.000 Kita-Plätze fehlen würden. Das Betreuungsgeld werde diesem wichtigen Vorhaben in der Konsequenz noch mehr Geld entziehen. Den brandaktuellen CDU-Vorschlag, Hartz IV-Empfänger durch Anrechnung faktisch vom Betreuungsgeld auszuschließen, geißelte Heydorn als Versuch, ganze Personengruppen als erziehungsunfähig zu stigmatisieren. Dies offenbare das wahre Menschenbild der CDU, die darüber hinaus offensichtlich völlig ausgeblendet habe, dass damit auch die so genannten Aufstocker betroffen wären, die trotz Arbeit zusätzliche Sozialleistungen beantragen müssten. Über die kalte Küche, so Heydorn, könnten Hartz IV-Empfänger sogar verpflichtet werden, ihre Kinder nicht in die Kita zu bringen und stattdessen Betreuungsgeld zu beziehen. Die immer wieder von der CSU aufgeführten Beispiele für die Sinnhaftigkeit des Betreuungsgeldes seien im Übrigen nicht repräsentativ, weil sie sich nur auf gut gebildete und einkommenstarke Eltern beziehen. Die Debatte ums Betreuungsgeld zeige zusammengefasst nur eins: Die Familienpolitik der Bundesregierung ist ohne roten Faden, voller Brüche und fauler Kompromisse. Familienministerin Schröder müsste auch in den Reihen der CDU mittlerweile als Prototyp einer absoluten Fehlbesetzung gelten.

Oppositionsführer Helmut Holter (DIE LINKE) kritisierte zunächst, dass ein ähnlich lautender SPD-CDU-Antrag zurückgezogen wurde, weil man mit den eingeschränkten Möglichkeiten der Aktuellen Stunde kein deutliches Signal nach Berlin aussenden könne. Auch die LINKEN lehnten die Herdprämie natürlich ab, würden Eltern aber auch die Entscheidung überlassen wollen, ob sie ihre Kinder in die Kita geben oder nicht. Was die Kritik des Vorredners am Hartz IV-Vorschlag der Bundes-CDU angehe, machte er - wenig überraschend - die SPD dafür verantwortlich, dass Hartz IV überhaupt eingeführt worden sei. Insofern habe sich die SPD mit der Aufsetzung des Themas ein Eigentor geschossen. Auf Bundesebene, so Holter, prallten natürlich Welten aufeinander. Das oberste Ziel, Kitas quantitativ und qualitativ auszubauen, sei dabei völlig aus dem Auge verloren worden.

CDU-Redner Torsten Renz sah sich verständlicherweise in der Verteidigerposition. In einer Koalition komme es - wie in einer Ehe - immer auf das Ganze an, und da liege man in Fragen der Familienpolitik und der frühkindlichen Bildung durchaus auf einer Wellenlänge mit Koalitionspartner SPD. Beispiele seien die vereinbarte Absenkung des Betreuungsschlüssels in Kitas auf 1 zu 15, die Einführung des kostenlosen Mittagessens oder die Absenkung der Krippenbeiträge. Die Diskussion sei natürlich auch durch die Wahlkämpfe in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein bestimmt. Am Beispiel seiner eigenen Familie, die das Kind teilweise zuhause erzogen und teilweise in eine Kita gegeben hätte, versuchte Renz zu belegen, dass es in dieser Frage keine allein seligmachende Wahrheit gebe und dass man deshalb nicht diskriminierend über die Lebensentwürfe Anderer urteilen dürfe.

Grünen-Rednerin Silke Gajek wiederholte zunächst den Vorwurf der LINKEN, dass die SPD sich um eine politisch verbindlichere Auseinandersetzung mit dem Thema gedrückt habe, indem sie den Koalitionsantrag zurückgezogen habe und stattdessen das Thema in der Aktuellen Stunde diskutieren wolle. Ansonsten lehnten natürlich auch die GRÜNEN das Betreuungsgeld ab. Es mindere die Chancen sozial schwacher Familen und sei bildungs- und geschlechterpolitisch sowie volkswirtschaftlich sinnlos. Auf Mecklenburg-Vorpommern bezogen dürfe sich die Landesregierung im Übrigen nicht auf der hohen Betreuungsquote in Kitas ausruhen. Es komme darauf an, nun auch die Qualität zu verbessern, unter anderem durch eine bessere Ausbildung des Personals.

Sozialministerin Manuela Schwesig würdigte den hohen Stand der frühkindlichen Bildung im Land. Schon unter Rot-Rot seien erste Meilensteine gesetzt worden, und dieses Konzept der Bildung von Anfang an werde auch mit der CDU kontinuierlich fortgesetzt, basierend auf einer Betreuungskonzeption für Kinder von 0 bis 10 Jahren. Familien bräuchten im Übrigen kein Betreuungsgeld, sondern Zeit, Geld und Infrastruktur sowie die gesellschaftliche Anerkennung der Erziehungsarbeit. Die Debatte um eine vermeintliche Wahlfreiheit sei hingegen verlogen, denn viele Frauen hätten gar nicht die Wahl, sie müssten arbeiten gehen, weil das Einkommen des Mannes allein nicht reichen würde oder weil sie alleinerziehend seien. Statt um das Betreuungsgeld sollte sich die Bundesregierung lieber um existenzsichernde Löhne kümmern und das Kindergeld gerechter gestalten. Das so genannte "warmherzige Betreuungsgeld" sei deshalb nur eine Fernhalteprämie von Zukunftschancen für die Kinder und für die Frauen, so Manuela Schwesig.

Die gleichstellungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Martina Tegtmeier betonte am Schluss, dass die Betreuungsgelddebatte auch die Kluft zwischen Ost und West bezüglich des  Familienbildes zum Ausdruck bringe, nun aber auch im Westen das Fass zum Überlaufen gebracht habe, was die subtile Unterdrückung der Frau angehe. Denn das Betreuungsgeld halte Frauen letztendlich auch vom Arbeitsmarkt fern und vermindere erfahrungsgemäß deren Chancen, nach der Geburt eines Kinder wieder auf den Arbeitsmarkt zurückzukehren. So sei es wenig verwunderlich, dasss Akademikerinnen eine geringere Geburtenrate haben. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels wäre das Fernhalten von Frauen aus dem Beruf inzwischen aber auch ein volkswirtschaftlicher Fehler.