Solides Haushalten und Sparen scheint nicht die Stärke der LINKEN zu sein. Nachdem die Fraktion bereits die Schuldenbremse auf Landesebene abgelehnt hatte, opponierte sie nun gegen den Fiskalpakt auf europäischer Ebene. Mit ihrer pauschalen und undifferenzierten Ablehnung lässt die LINKE allerdings auch Zweifel an ihrer Solidarität mit den betroffenen Menschen in Europa aufkommen und steht auf Landes- und Bundesebene ziemlich allein da.
Mit ihrem Antrag "Europäischen Fiskalpakt im Bundesrat ablehnen" (Drs. 6/793) suchte die LINKE im Landtag heute Mitstreiter für ihre Forderung an die Landesregierung, im Bundesrat gegen den Fiskalpakt zu stimmen. Damit sollte deutlich gemacht werden, dass SPD und CDU auf Bundesebene unterschiedliche Zielsetzungen mit dem Fiskalpakt verbinden. DIE LINKE befürchtet durch das strenge Spardiktat des jetzigen Fiskalpaktes eine Abschwächung des Wirtschaftswachstums in Europa und damit einhergehend einen Abbau öffentlicher Leistungen sowie die Privatisierung staatlichen Eigentums. Als Alternative möchte DIE LINKE den Finanzsektor beteiligen - ähnlich der von der SPD geforderten Finanztransaktionssteuer - und die Binnennachfrage in den Mitgliedsstaaten insbesondere durch Investitionen in Bildung und Arbeit ankurbeln.
Jeannine Rösler, die den LINKEN-Antrag begründete, kritisierte zunächst das Hauruckverfahren bei der Durchsetzung des Fiskalpaktes. Auch die LINKE wolle den Abbau öffentlicher Schulden, aber der jetzige Fiskalpakt greife bis auf die Kommunen durch und habe zur Folge, dass öffentliche Investitionen zurückgehen, Löhne und damit verbunden Steuereinnahmen sinken würden. Wohin eine derart restriktive Sparpolitik führe, zeigten gerade Länder wie Spanien und Italien. Auch in der SPD gebe es Stimmen, die den Pakt ablehnen würden, auch wenn die SPD ihr soziales Gewissen entdeckt habe und mit der Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer taktiere. Der Fiskalpakt sei ein Pakt mit dem Teufel, der zudem ins Budgetrecht der Parlamente eingreife und deshalb auch verfassungsrechtlich bedenklich sei. Röslers Forderung: Die Finanztransaktionssteuer und die angekündigten Konjunkturprogramme müssten genauso verbindlich werden wie der Fiskalpakt.
Finanzministerin Heike Polzin warf der LINKEN Erstarrung vor. Die Lawine rolle und während der Vernünftige Schutz suche, debattiere die LINKE schutzlos über die Frage, warum man überhaupt auf den Berg gegangen sei. Die von SPD und GRÜNEN verhandelten Kompromisse seien keine Taktik, sondern konsequent und verantwortlich. Der LINKEN warf Polzin vor, sich schon einmal gegen eine sparsamere Haushaltspolitik und mehr Einnahmen gewandt zu haben, nämlich bei der Debatte zur Schuldenbremse im Land. Es gebe keine Alternative zur Zustimmung Deutschlands zum Fiskalpakt, wenn man keine unkalkulierbaren Reaktionen der Börsen und der Wirtschaft auslösen wolle. Bei einem Nein Deutschlands würde die Lawine rollen und auch den Besserwisser mitreißen. Die von SPD und GRÜNEN ausgehandelte Transaktionssteuer und das zugesagte Wachstumspaket seien eine gute Gegenleistung. Auch die 16 Bundesländer hätten vor der Bundesratsabstimmung am kommenden Freitag noch einige Verbesserungswünsche auf dem Zettel, wie etwa Erleichterungen für die Kommunen bei der Eingliederungshilfe und der Grundsicherung, so dass auch an dieser Stelle noch sehr hart verhandelt werde, bevor dem Pakt abschließend zugestimmt werden könne. Komfortabel oder nicht, so die Ministerin, die Totalverweigerung gegenüber europäischer Verantwortung sei in jedem Fall deutlich schlechter als aktives Handeln.
Johannes Saalfeld von den GRÜNEN verteidigte ebenfalls die Verhandlungsergebnisse seiner Partei auf Bundesebene. Die zu erwartende Finanztransaktionssteuer sei revolutionär. Der Fiskalpakt werde endlich dafür sorgen, dass Länder Schulden abbauten und nicht weiter machten wie bisher. Der LINKEN warf er vor, mit ihrer Ablehnung gegen eigene politische Prioritäten zu handeln. So würde eine Inflation gerade die Entwertung kleiner Vermögen bedeuten, für deren Inhaber die Partei doch normalerweise eintrete. Zum anderen habe die LINKE eine merkwürdige Wahrnehmung, wenn sie die Politik der ausgeglichenen Staatsfinanzen am Ende sehen. Diese Politik habe es - bis auf einige Ausnahmen in Ölstaaten - in den letzten 50 Jahren nirgendwo gegeben.
Egbert Liskow von der CDU betonte, dass sich die Landesregierung die Zustimmung gewiss nicht leicht machen werde und hart verhandele, auch was die Etatrechte des Landtages angehe. Der Antrag der LINKEN verlange aber nur Ablehnung und liefere keinerlei konstruktiven Vorschläge. Liskow lobte SPD und GRÜNE auf Bundesebene, die auch Länderinteressen durchaus vehement vertreten hätten.
SPD-Finanzexperte Tilo Gundlack betonte zunächst, dass die SPD-Landtagsfraktion fest zum Europäischen Gedanken stehe. Auch die aktuelle Haushaltsdebatte habe deutlich gemacht, dass solide Haushaltspolitik zum Grundverständnis für eine nachhaltige und verantwortungsvolle Staatspolitik gehöre. Genau dasselbe Prinzip müsse deshalb nicht nur für M-V, sondern für alle europäischen Staaten, insbesondere für die 17 Mitglieder der Eurozone, gelten. Gundlack nannte noch einmal die Forderungen der SPD, die wie der Fiskalpakt verbindlich sein müssten: Einführung einer umfassenden Finanztransaktionssteuer, ein Europäisches Sofortprogramm gegen Jugendarbeitslosigkeit, einen Europäischen Investitions- und Aufbaufonds sowie ein europäisches Bündnis zur Stärkung der Staatsfinanzen. Die SPD mache sich dafür stark, die Wirtschafts- und Finanzpolitik der EU umfassend neu auszurichten. Die Antwort auf die Krise dürfe auf keinen Fall weniger Europa sein! Man könne im Übrigen sicher sein, dass Finanzministerin Polzin auch ohne die Aufforderung der LINKEN alles tun werde, um Schaden vom Land und unseren Kommunen abzuwenden. Der Klageweg vors Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe stehe den LINKEN selbstverständlich offen, den Landtagsantrag werde die Koalition jedoch ablehnen.
Nachdem die rechtspolitische Sprecherin der LINKEN, Barbara Borchardt, noch die juristischen Unterschiede eines Völkerrechtsvertrages, wie es der Fiskalpakt einer sein wird, gegenüber einem EU-Beschluss oder -Gesetz erläutert hatte, wurde der Antrag mit den Stimmen der Koalition und der GRÜNEN abgelehnt. Die Abstimmung zum Fiskalpakt im Bundesrat findet am 29.6.2012 statt.