Wer mit Leguminosen als Begriff bisher nichts anzufangen wusste, durfte in der heutigen Landtagssitzung einigen interessanten Ausführungen folgen und wusste hinterher auch, was es mit der so genannten "Eiweißstrategie" auf sich hat. Die ist nämlich derzeit in aller Munde - im nahezu wörtlichen Sinne ...
Heute haben sich die Koalitionsfraktionen mit ihrem Antrag (Drs. 6/1044) für einen verstärkten Anbau von Eiweißpflanzen in M-V eingesetzt. So soll eine nachhaltige Landbewirtschaftung und Tierhaltung unterstützt werden. In die gleiche Richtung ging ein Antrag der Fraktion DIE LINKE „Eiweißstrategie für nachhaltige Landwirtschaft in M-V (Drs. 6/1032). Beide Anträge wurden in einer verbundenen Aussprache diskutiert. Hintergrund: In Vorbereitung auf die neue EU-Förderperiode wollen SPD und CDU die bodengebundene Landwirtschaft weiter fördern, damit Wertschöpfungsketten im Land gehalten werden und Mecklenburg-Vorpommern unabhängiger von Rohstoffimporten wird. Zudem soll ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet und die Biodiversität erhöht werden. Die Fraktionen bekräftigten im Antrag das gemeinsame Ziel, mehr Eiweißpflanzen in M-V anzubauen.
In der Einbringung ging der agrarpolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE, Prof. Dr. Fritz Tack, auf die Bedeutung einheimischer Eiweißpflanzen (Leguminosen) ein, die seit Jahrhunderten in Europa angebaut werden. Leider sei der Anbau von Leguminosen wirtschaftlich uninteressant geworden. Es gebe im Land auf nur rund 5.000 Hektar Leguminosen. Es werde vor allem das Kostengünstigste angebaut, das viel Gewinn und eine gute Ernte bringe: Raps, Mais und Winterweizen. Da das Interesse der Züchter zurück ging, gebe es keine neuen Forschungsergebnisse. Hochwertiges Importsoja mit konstanter Futtermittelqualität werde bevorzugt, die Anbaufläche für Soja in Südamerika immer weiter ausgedehnt. Deshalb müssten Leguminosen wieder attraktiv gemacht werden. DIE LINKE erwarte wirtschaftliche Anreize und verbindliche Regelungen, am besten in einer eigenen Eiweißstrategie des Landes.
Auch der agrarpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Heino Schütt, wies in seiner Rede darauf hin, dass der Anbau von Körnerleguminosen in den vergangenen Jahren kontinuierlich zurückgegangen sei. Bereits seit 2005 gebe es Probleme: Ertragsschwankungen durch Vorsommertrockenheit und Unkraut. Er nannte niedrige Erzeugerpreise und unzureichende Ertragssicherheit als Hauptgründe für Anbaurückgang bei den Eiweißpflanzen. Das sei auch der Grund für den Rückgang bei den Züchtungsaktivitäten - die Katze beiße sich in den Schwanz. Er verwies auf Initiativen zu Leguminosen in Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Thüringen. Weitere Gründe für Leguminosen seien die Auflockerung der Fruchtfolge, gute Bodenhygiene und Förderung einer ressourcenschonenden Landwirtschaft. Die GAP-Reform, bei der sieben Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche aus der Produktion genommen werden sollen, lehne die CDU-Fraktion aus ethischen Gründen ab. Auf den Ausgleichsflächen sollten vielmehr Eiweißpflanzen angebaut werden.
Der Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus (SPD) warf zu Beginn seiner Rede einen Blick auf das Leben auf der Erde. Eiweiß sei dafür unabdingbar. In diesem Zusammenhang kritisierte er die grobe Vernachlässigung der Eiweißforschung in Deutschland. Gleichzeitig hob er hervor, dass nun auch dank seiner Initiative eine Eiweißstrategie vom Bund aufgelegt werde. Er wolle den Anbau einheimischer Eiweißpflanzen für die Tierfütterung in Mecklenburg-Vorpommern ausbauen und somit die nachhaltige Landwirtschaft und Tierhaltung weiter unterstützen. „Europa ist einer der größten Exporteure von tierischen Veredlungsprodukten. Es ist daher nicht akzeptabel, dass wir unsere Tierhaltung in einem derartig hohen Umfang auf den Eiweißpflanzenanbau in Übersee stützen", sagte der Minister. Derzeit beanspruche Deutschland etwa 1,2 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche für Eiweißpflanzen außerhalb der EU. Backhaus betonte: "Es bedarf einer kritischen, ungeschönten Analyse. Und es bedarf klarer Aktivitäten, den Anbau einheimischer Eiweißpflanzen wieder zu erhöhen." In Mecklenburg-Vorpommern stünden in diesem Jahr nur noch 4.724 Hektar Ackerbohnen, Erbsen und Lupinen zur Ernte an. 1998 waren es noch 31.600 Hektar. Den Rückgang der Produktion sowie der Forschung auf diesem Gebiet nannte Backhaus "dramatisch". Dabei lägen die Vorteile, die Eiweißpflanzen bieten, auf der Hand, so Backhaus.
Thomas Krüger, agrarpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, fand es bemerkenswert, dass sich drei Parteien gleichzeitig einem Thema zuwendeten. Er freute sich, dass auch die Grünen auf den fahrenden Zug aufgesprungen seien und das Thema gemeinsam beraten werde. Krüger betonte, dass Leguminosen auch eine Alternative zu Kunstdünger seien. In diesem Zusammenhang unterstrich er die Ablehnung der SPD-Fraktion gegenüber gentechnisch veränderten Organismen. Mit dem Einsatz von einheimischen Eiweißpflanzen könne man die Gentechnik im Futtermittelbereich zurück drängen. Krüger führte ebenfalls verschiedene Argumente für den Anbau von Eiweißpflanzen an (siehe Video). Er warb für die Annahme des Koalitionsantrages und die Überweisung des Antrags der LINKEN in den Agrar- und Umweltausschuss.
Die agrarpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Dr. Ursula Karlowski, zeigte sich erfreut, dass einheimische Eiweißpflanzen gleich das Thema von zwei Anträgen bestimmten. Sie betonte, dass die Grünen sich schon lange gegen den Import von genverändertem Soja aussprächen. Die Grünen unterstützten die Strategieentwicklung für Eiweißpflanzen auf Bundesebene und begrüßten das Vorhaben, mehr Leguminosen in M-V anzubauen. Unterstützung gab es auch für die Pläne des Landwirtschaftsministers, in Groß Lüsewitz ein Kompetenzzentrum für Leguminosen zu schaffen. Karlowski schlug eine Stickstoffdüngersteuer vor. Zudem kritisierte sie, dass Kühe wie Hochleistungsmaschinen behandelt würden und Eiweißfutter erhielten. Das sei aus ihrer Sicht unnötig. Zum Abschluss betonte sie, dass sie die Anträge als Signal werte, dass die Tage der Massentierhaltung hier im Land gezählt seien.
Die Anträge wurden am Schluss der Debatte einstimmig in den Agrarausschuss überwiesen.