Interkommunale Zusammenarbeit macht die Verwaltung effizienter und begegnet den Herausforderungen der demographischen Entwicklung. Doch die Sache hat einen Haken. Nach einem Urteil des Bundesfinanzhofes muss für gegenseitig erbrachte Leistungen, die auch Private erledigen könnten, Umsatzsteuer bezahlt werden. Koalitionäre und Opposition waren sich selten so einig: So etwas schadet Kommunen und Bürgern gleichermaßen und muss deshalb verhindert werden.
Das umstrittene Urteil könnte zur Folge haben, dass interkommunale Zusammenarbeit, aufgrund steigender Kosten und erhöhtem Verwaltungsaufwand deutlich erschwert wird. Ziel des Antrages der Koalitionsfraktionen "Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand bedroht die interkommunale Zusammenarbeit" (Drs. 6/1138) war es deshalb, Klarheit herzustellen, unter welchen Voraussetzungen interkommunale Zusammenarbeit von der Umsatzsteuer befreit werden kann.
Wolf-Dieter Ringguth, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, zitierte in der Einbringung des Antrages zwei Urteile des Bundesfinanzhofes vom November 2011 („Turnhallenurteil“) und Dezember 2012 („Tiefgaragenurteil“). Diese Urteile besagen, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts wie Unternehmen zu besteuern sind, wenn sie Leistungen wie Unternehmen erbringen. Diese Urteile würden mit der aktuellen Rechtsprechung nun auch auf hoheitliche Tätigkeiten ausgeweitet. Nach Auffassung Ringguths könne damit jede Tätigkeit einer Gemeinde um 19% teurer werden, wobei dies derzeit nur für ausgeurteilte Fälle gelte. Beispiele für zukünftige Umsatzsteuerpflichtigkeit seien z.B. Leistungen kommunaler Rechenzentren, das Teilen von Mäh- und Schneefahrzeugen oder die gemeinsame Nutzung von Kita und Feuerwehr, weil diese Leistungen theoretisch auch von privaten Dritten erbracht werden könnten. Ringguth betonte, dass es den Koalitionären um Rechtssicherheit für die Kommunen gehe, die ohnehin oft mit prekären Haushaltslagen zu kämpfen hätten.
Innenminister Lorenz Caffier (CDU) trat in Vertretung für Finanzministerin Heike Polzin (SPD), ans Rednerpult. Es gebe nicht viele Situationen, wo Besteuerung abgelehnt würde - in diesem Falle schon, da die Kommunen dadurch zusätzlich belastet würden, so Caffier. Dass die Umsatzsteuer auch für Beistandsleistungen gelten solle, sei in M-V besonders problematisch, weil hier die Kooperation von Gemeinden von elementarer Bedeutung sei. Die Kommunen könnten viele Aufgaben nicht allein erledigen. Zudem könnten sie durch Kooperation Geld sparen, das sie dann sinnvoll an anderer Stelle einsetzten. Eine aktuelle Studie der Wirtschaftsberatungsgesellschaft PriceWaterhoueCoopers besage, dass M-V vor großen Herausforderungen stehe. Es werde ein Bevölkerungsrückgang um 6,6% prognostiziert. Daher müssten die Kommunen ihre Kosten senken, aber weiter qualitativ gute Leistungen erbringen. Der Bundesfinanzhof verhindere dies, das sei nicht nachzuvollziehen. M-V werde sich deshalb im Bundesrat dafür einsetzen, dass eine vernünftige Regelung gefunden werde.
Jeannine Rösler, Sprecherin für Kommunal- und Finanzpolitik der Fraktion DIE LINKE, merkte an, dass der Koalitionsantrag ein wichtiges Problem aufgreife. Anschließend skizzierte sie die Konsequenzen, die das Urteil des Bundesfinanzhofes nach sich ziehen könnte. Auf den zweiten Blick, so Rösler, sei aber nicht das Urteil des Bundesfinanzhofes das Problem. Dieses setzte nur die Rechtssprechung des europäischen Gerichtshofs zur EU-Mehrwertsteuerrichtlinie um. Die EU habe bei der Umsatzbesteuerung auf den freien Wettbewerb gesetzt. Auch hier im Hohen Hause habe so mancher Abgeordnete das „Hohelied des freien Wettbewerbes“ oft genug gesungen, erinnerte Rösler. DIE LINKE habe das Thema bereits im Finanzausschuss auf die Tagesordnung setzen lassen und die Finanzministerin arbeite bereits an einer Lösung. Rösler hätte sich gewünscht, dass die Koalitionsfraktionen das Thema von alleine im Ausschuss angestoßen hätten. "Uns eint aber das Ziel, dass die steuerliche Belastung für die öffentliche Hand vermieden werden muss. Daher unterstützen wir diesen Antrag, natürlich“, erklärte sie abschließend.
Der kommunalpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Heinz Müller, ging unter anderem auf ein wichtiges Detail im Urteil des Bundesfinanzhofes ein. Dies lege fest, dass die Steuerpflicht bereits dann entstehe, wenn eine Leistung von privaten Dritten theoretisch erbracht werden könnte. Das müsse nicht einmal die gesamte Leistung sein, sondern auch eine Teilleistung löse bereits die Steuerpflicht aus. Ein Beispiel seien Schreibarbeiten, die selbst bei explizit hoheitlichen Aufgaben dazugehörten, obwohl die hoheitliche Aufgabe vom Grundgedanken her nur von der kommunalen Verwaltung erbracht werden dürfe. Müller schätzte eine zusätzliche Belastung von ca. 20 Millionen Euro für die Kommunen in M-V. Im Einzelfall würde es den Kommunen schwer fallen, diesen Mehraufwand zu erwirtschaften. Neben der Steuerlast müsse man dabei auch den erhöhten Verwaltungsaufwand jeder staatlichen Ebene berücksichtigen. In der Folge würden zudem die Bürger stärker belastet, wenn die höheren Kosten für bestimmte kommunale Dienstleistungen umgelegt würden.
Der Sprecher für Kommunales und Finanzen der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen, Johannes Saalfeld, stellte am Anfang seines Beitrages klar, dass ein ähnlicher Antrag der rot-grünen Regierungskoalition in Nordrhein-Westfalen zeige, dass andere Bundesländer vor den gleichen Problemen stünden. Generell halte er die Besteuerung öffentlicher Ausgaben für Unsinn. Er forderte, Analysen und Kalkulationen anzufertigen, da die genauen Kosten für die Kommunen derzeit nicht exakt beziffert werden könnten. Auch solle man sich grundsätzlich mit dem Problem der Umsatzsteuerpflicht für die öffentliche Hand auseinandersetzen. Hier gebe es zum Beispiel auch im kulturellen Bereich Probleme. Er hätte sich über eine solche Initiative und ein gemeinsames Handeln möglichst aller Bundesländer schon früher gefreut. Nun aber solle man die Chance nutzen, um zu einer guten Regelung zu kommen, so Saalfeld.
In seinem zweiten Redebeitrag wies Wolf-Dieter Ringguth (CDU) darauf hin, dass EU-Richtlinien von Menschen gemacht und somit nicht unveränderbar seien. Er hoffe, dass der Bund dabei helfen werde, die Richtlinie im Sinne der Kommunen zu verändern.
Der Antrag wurde einstimmig angenommen.