SPD Landtagsfraktion Mecklenburg Vorpommern

Berufsreife_webIn Mecklenburg-Vorpommern erlangen viele Förderschüler mit dem Schwerpunkt Lernen keine Berufsreife. Zum Problem haben Regierung und Opposition gar nicht so unterschiedliche Ansichten. Lösungsansätze wollte man aber eigentlich gemeinsam in einer Expertenkommission diskutieren. Dafür fehlte der LINKEN offensichtlich die Geduld.

Die Fraktion DIE LINKE forderte die Landesregierung mit ihrem Antrag "Maßnahmen zur Senkung der Anzahl von Schülerinnen und Schülern ohne Schulabschluss an Förderschulen des Landes Mecklenburg-Vorpommern"  (Drs. 6/1132) auf, die Beschränkung auf 33 Schüler in der Jahrgangsstufe 7 für die Bildung von sogenannten "Vorlaufklassen" zur Vorbereitung auf das freiwillige 10. Schuljahr zu streichen, die Gleichwertigkeit der Abschlusszeugnisse der Berufsreife unabhängig von der besuchten Schulart herzustellen und zu prüfen, ob die Flexibilität der Maßnahmen zum Erwerb des Schulabschlusses der Berufsreife sowohl an allgemeinen Schulen als auch an Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt Lernen ausgebaut werden kann, z.B. durch das Projekt „Produktives Lernen“.

Die bildungspolitische Sprecherin der LINKEN, Simone Oldenburg, begründete den Antrag ihrer Fraktion. Sie halte es für problematisch, dass jährlich 900 Jugendliche nach der neunten Klasse ohne Schulabschluss die Förderschulen verließen, obwohl es die theoretische Möglichkeit zu einem Abschluss gäbe. Von den ca. 1100 Förderschülerinnen und Förderschülern, die jährlich die neunte Klasse erreichten, kämen nur knapp 180 in die zehnte Klasse der Förderschule, in die sogenannten Vorlaufklassen. Ursache dafür seien nicht mangelnde Fähigkeiten, sondern die Zahl 33. Denn die Kinder an Förderschulen, dürften nur dann ab der siebten Klasse in solche Vorlaufklassen, wenn in der sechsten Klasse mindestens 33 Jungen und Mädchen unterrichtet würden. Durch diese Bestimmung seien allein in den letzten fünf Jahren 5000 Jugendliche fährlässig ohne Schulabschluss abgeschoben worden. Daher beantrage die Fraktion DIE LINKE die Zahl 33 für eine Klassenstufe ersatzlos zu streichen. „Die Jungen und Mädchen unseres Landes brauchen Perspektiven und wir sind dazu verpflichtet, ihnen diese zu eröffnen“, so Oldenburg.

Als nächste Rednerin trat Sozialministerin Manuela Schwesig (SPD) in Vertretung des Bildungsministers Mathias Brodkorb (SPD) ans Pult. Sie unterstrich, dass es seit 2009 das Ziel der Landesregierung sei, die Zahl der Schulabbrecher zu reduzieren, wenn möglich, zu halbieren. Dazu wurden bisher folgende Maßnahmen ergriffen: Erstens: Seit 1996 können Vorlaufklassen an Förderschulen besucht werden und so die Berufsreife erlangt werden. Zweitens: Seit 2009 gibt es den Erlass zum produktiven Lernen. Drittens: Seit 1990 gibt es Berufsvorbereitungsjahre an den Berufsschulen. Viertens: Auch an Produktionsschulen kann die Berufsreife erlangt werden. Außerdem gebe es die Möglichkeit, schulübergreifend Förderklassen zu bilden, um die Mindestzahl von 33 Schülern pro Klasse zu erreichen. Diese Möglichkeit werde leider noch zu wenig genutzt.

Marc Reinhardt, bildungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, unterstrich zu Beginn seines Beitrags das gemeinsame Ziel: die Zahl der Schulabbrecher senken. Dazu reiche der Antrag der LINKEN allerdings nicht aus. Zur Wahrheit gehöre: wenn die Zahl 33 nicht mehr als Untergrenze gelte, führe das zu Mehraufwendungen. Es müsse diskutiert werden, wie das bezahlt werden soll. Der Inklusionsfrieden sei fraktionsübergreifend vereinbart worden, dort gehöre dieses Thema hin. Man solle der Arbeitsgruppe hier nicht vorgreifen, indem man über einzelne Punkte entscheide. Daher werde der Antrag abgelehnt.

Die bildungspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Ulrike Berger, kündigte Zustimmung ihrer Fraktion zum Antrag an. Alle Möglichkeiten sollten genutzt werden, um die Zahl der Schülerinnen und Schüler ohne Abschluss zu senken. Es sei eine richtige Forderung, auf die Mindestklassengröße von 33 Schülern zu verzichten. Es dürfe nicht zwischen verschiedenen Berufsreifen unterschieden werden und der Gedanke der Inklusion sei ernst zu nehmen. Daher müsse man sich von Förderschulen auf lange Sicht verabschieden, um Barrieren abzubauen. Unterschiedliche Schularten seien unnötig. Daher unterstützten die Bündnisgrünen jede Initiative, die auf diesem Weg weiterhelfe.

Andreas Butzki, schulpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, freute sich, dass die Umsetzung der UN-Behindertenkonvention von den demokratischen Fraktionen gemeinsam beraten werde. Butzki betonte, dass er die klugen und praxisnahen Hinweise von Simone Oldenburg schätze. Allerdings hätte es ihn mehr gefreut, wenn der Antrag als Vorlage in der Arbeitsgruppe präsentiert worden wäre. Nun beschreibe er leider nur eine Zwischenlösung. Er stimmte der LINKEN zu, dass Maßnahmen, die zu weniger Schulabbrechern führen, zügig umzusetzen seien. Es müsse gemeinsam an einer langfristigen Lösung gearbeitet werden. Schüler, Eltern und Lehrer müssten sehen, dass die Politik zu ihrem Wort steht. Nur so könne Vertrauen gewonnen werden. Er begründete die Ablehnung des Antrages durch die SPD-Fraktion: Erstens: Ob eine Mindestschülerzahl von 33 in Zukunft noch sinnvoll sei, könne diskutiert werden, sobald die Vorschläge der Expertenkommission auf dem Tisch lägen. Zweitens: Die Schulabgängerquote ohne Abschluss ist in M-V zu hoch und müsse reduziert werden. Drittens: Das erwähnte Projekt “Produktives Lernen“ sei auch ein Weg, um einen Berufsabschluss nachzuholen. Zudem sei die Durchlässigkeit zwischen den Schularten gewährleistet. Es gebe also schon heute viele Wege, auf denen Förderschüler ihren Abschluss nachholen könnten. Daher werde der Antrag von den Koalitionsfraktionen abgelehnt.

Simone Oldenburg (DIE LINKE), die erneut das Wort ergriff, ging auf den Redebeitrag von Manuela Schwesig ein, die erwähnt hatte, dass frühkindliche Bildung bereits in der Kita beginne: „Alles was außerhalb der Kita liegt, ist chronisch unterfinanziert. Daher ist der gesamte Bildungsbereich ein sozialer Brennpunkt. Hier nicht zu handeln ist unpädagogisch, unmoralisch und unsozial“, so Oldenburg.

Manuela Schwesig versicherte in ihrer unmittelbaren Erwiderung, dass die Vorschläge der LINKEN selbstverständlich in die Expertenkommission einfließen würden. Die Vorwürfe der LINKEN wies sie aber zurück: „Wir wissen alle, dass wir im Bildungsbereich, vor allem in der Inklusion, eine Riesenbaustelle haben. Deshalb erarbeiten wir mit der Expertenkommission zusammen Vorschläge, die auch finanziell untersetzt werden. Der zusammengefasste Prozess macht keinen Sinn, wenn nun jeden Monat eine andere Fraktion mit einem berechtigten Vorschlag kommt. Es ist eine Frage des Respekts gegenüber der Expertenkommission, dass wir ihre Empfehlungen abwarten“. Die zahlreichen Probleme könne man nur im Zusammenhang lösen, nicht, indem man an einer einzelnen Schraube drehe, so wie die LINKE es in ihrem Antrag fordere.

Der Antrag wurde durch die Mehrheit der Koalitionsfraktionen abgelehnt. LINKE und GRÜNE stimmten dem Antrag erwartungsgemäß zu.