SPD Landtagsfraktion Mecklenburg Vorpommern

BeschaeftigungUnter dem Titel "Agenda 2010 - 10 Jahre Sozialabbau - Auswirkungen auf Mecklenburg-Vorpommern" hat der Landtag heute seine Aktuelle Stunde bestritten. Wie der Titel verriet, hatten die Antragsteller von der Fraktion Die LINKE bereits in den Wahlkampfmodus geschaltet. Auf die erhoffte Unterstützung durch die ebenfalls oppositionellen GRÜNEN mussten Holter und Co. allerdings vergeblich warten.

LINKEN-Fraktionschef Helmut Holter warf Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder vor, mit der Agenda 2010 das Sozialstaatsprinzip aufgelöst zu haben. Arme seien be- und Reiche entlastet worden, einhergehend mit einer gigantischen Umverteilung von unten nach oben. So habe man nahezu jedermann zur Ader gelasssen: geringfügig Beschäftigte, Jugendliche, Leiharbeiter, Rentner, Versicherte und Arbeitslose. Während die Lohnquoten gesunken seien, habe sich die Gewinnquote der Unternehmen in gleicher Weise erhöht. Die Zahl der Leiharbeiter habe sich verdreifacht, während die Zahl regulär Vollbeschäftigter gesunken sei. Rentner hätten zig Nullrunden über sich ergehen lassen müssen, während die Ost-West-Angleichung der Renten immer noch nicht erreicht sei. Versicherte hätten bis heute 100 Mrd. € an Zusatzleistungen gezahlt und Armut sei ein Dauerproblem geworden. Nach Ansicht der LINKEN stehe eindeutig fest, dass die Agenda 2010 das falsche Instrument gewesen sei. Richtig wäre eine Agenda Sozial mit guter Arbeit und einem Mindestlohn von 10 €/Stunde. Sonderbeiträge müssten komplett abgeschafft werden. Das Motto der CDU, dass sozial sei, was Arbeit schaffe, habe die Agenda 2010 in keiner Weise belegen können.

SPD-Wirtschaftsexperte Jochen Schulte unterstellte Holter zunächst, dass er eigentlich zu realpolitisch orientiert sei, als dass er das, was er vorgetragen habe, auch ernstgemeint haben könne. Vielmehr handele es sich vermutlich um die Zweitverwertung einer Parteitagsrede. Schulte erinnerte an die Situation des Jahres 2003, als man es mit hohen staatlichen Finanzdefiziten und steigenden Arbeitslosenzahlen zu tun hatte, so dass dringender Handlungbedarf bestanden habe. Und auch wenn es handwerkliche Fehler gegeben hat, sei die Agenda im Grunde ein Erfolgsprojekt. So liege die Arbeitslosigkeit in Deutschland heute nicht einmal halb so hoch wie im Durchschnitt Europas. Die Jugendarbeitlosigkeit sei mit 8 % deutlich niedriger als in Frankreich oder Spanien, wo man es mit Werten von über 20 bzw. über 50 Prozent zu tun habe. Auf Mecklenburg-Vorpomern heruntergebrochen, habe man den Verlust von jährlich 17.000 Arbeitplätzen gestoppt, die Arbeitslosenquote von 20 Prozent auf 12 Prozent gesenkt und die Jugendarbeitslosigkeit halbiert. Die von den LINKEN kritisierte ungerechte Vermögensverteilung sei zwar Realität, sie habe ihre Urasche aber nicht in der Agenda 2010. Die Senkung der Körperschaftssteuer sei in der Tat ein Fehler gewesen, weil diese nicht zu mehr Investitionen geführt habe. Trotzdem sei die Agenda 2010 im Ganzen eine Erfolgsgeschichte im Vergleich zu den Reform-Modellen anderer europäischer Länder. Bemerkenswert sei im Übrigen auch, dass es in Europa nur ein Land mit einer niedrigeren Arbeitslosenquote als Deutschland gebe - nämlich Österreich, das die Prinzipien der Agenda 2010 übernommen habe.

Grünen-Fraktionschef Jürgen Suhr zeigte Verständnis dafür, dass die Agenda 2010 polarisiere. Auch dass es sich um das Reizprojekt der LINKEN handele, sei in gewisser Weise nachvollziehbar. Bedauerlich sei allerdings, dass die LINKE über die vehemente und immer gleichlautende Kritik an der Agenda 2010 nicht hinauskomme. Auch biete sie außer sich wiederholenden Parolen keine seriösen Lösungen an. Konstruktive Kritik an der Altervorsorge, dem Regelsatz oder dem Sanktionskatalog sei natürlich gerechtfertigt. Politisch und ökonomisch sei der zentrale Fehler der Agenda, dass sie ein Gerechtigkeitsdefizit habe und die Schere zwischen arm und reich weiter auseinander gegangen sei. Am damaligen Reformbedarf ändere dies aber nichts. Heute müsse aber das Prinzip gelten, dass derjenige, der Mut zu Reformen habe, auch Mut zu Korrekturen haben müsse. Schwarz-Gelb habe diesen Mut leider nicht, speziell bei Fragen wie einem flächendeckenden Mindestlohn, Equal-Pay für Leiharbeit, individueller Vermittelung oder altersgerechte Regelsätze für Kinder und Erwachsene zeige sich dies überdeutlich. Der LINKEN sei deshalb gesagt, dass Meckern nicht reiche, der CDU, dass ein unverändertes Weitermachen auch keine Lösung sei!

CDU-Fraktionschef Vincent Kokert warf LINKEN-Chef Holter vor, immer nur rückwärtsgewandt zu reden, ohne die eigene Rolle zu beleuchten. Denn als Arbeitsminister unter Rot-Rot habe er die Hartz-Reformen brav durchgesetzt, um nicht aus der Koalition ausscheiden und von der Macht lassen zu müssen. Linke Arbeitsmarktpolitik habe nur aus ÖBS und ABM bestanden, wo für Unsinn sehr viel Landesgeld ausgegeben wurde. Auch Kokert verwies auf die deutliche Zunahme sozialversicherungspflichtig Bechäftigter von 2003 (482.000) bis 2012 (520.000). Überraschend zitierte Kockert Ex-Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD), der zur Agenda 2010 gesagt hatte, dass es Ziel sein müsse, Arbeit und nicht Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Dem könne sich die CDU vorbehaltlos anschließen. Zur Kritik der GRÜNEN am Reformunwillen von Schwarz-Gelb sagte Kokert, dass es auch unter Merkel mehrere Korrekturen an der Agenda gegeben habe, mal mit der SPD aber auch mit der FDP. Trotzdem freue er sich über die Verteidigung der Agenda 2010 durch die GRÜNEN im Land, glaube aber nicht, dass das die einheitliche Linie der Partei im Bund sei. Im Übrigen seien die bisherigen Ausgaben für die Agenda 2010 deutlich höher als ursrprünglich prognostiziert - von einem sozialen Sparprogramm könne also nicht die Rede sein.

SPD-Sozialexperte Jörg Heydorn würdigte die Agenda am Schluss der Debatte noch einmal als wichtigen Fortschritt im Bildungs-, Beratungs- und Betreuungssektor. Zudem sei sie eine milliardenschwere Entlastung der Kommunen von Sozialhilfeleistungen gewesen, den schon damals waren viele Arbeitslosengeldempfänger auf Sozialhilfe angewiesen. Unbeantwortet blieb übrigens die Frage Heydorns an die Sozialexperten der Fraktion Die LINKE, ob denn noch jemand wisse, wie hoch damals die Arbeitlosenhilfe gewesen sei, die von den Hartz-IV-Leistungen abgelöst worden sei. Auch Heydorn gestand problematische Entwicklungen ein. So sei es nicht gut gewesen, dass die Zahl der Minijobs und der befristeten Anstellungen so rasant zugenommen habe. Eine Absicht könne man den Sozialdemokraten allerdings in dieser Frage nicht unterstellen. Vielmehr sei die SPD nach wie vor die Partei der kleinen Leute, die hart arbeiten und das Land zusammenhalten.