SPD Landtagsfraktion Mecklenburg Vorpommern

WasserEines lernt heute schon jedes Kindergartenkind: Wasser ist die Grundlage menschlichen Lebens. Doch anstatt sich die EU-Kommission glücklich schätzt, mit Wasser reichlich gesegnet zu sein, kommen aus Brüssel bedenkliche Signale in Richtung Privatisierung der Wasserversorgung. Doch gegen die Aufgabe bewährter Strukturen regt sich fraktionenübergreifender Widerstand ... 

Mit ihrem Antrag "Trinkwasser nicht als Handelsware behandeln - EU-Dienstleistungs-Konzessionsrichtlinie nicht auf die kommunale Daseinsvorsorge anwenden" (Drs. 6/1643) haben die Koalitionsfraktionen den Landtag heute aufgefordert, den Entwurf der EU-Konzessionsrichtlinie in der aktuellen Form abzulehnen. Zugleich wird die Landesregierung gebeten, weiterhin im Sinne des diesbezüglichen Beschlusses des Bundesrates vom 30. März 2012 auf Bundes- und Europa-Ebene darauf hinzuwirken, dass insbesondere die Versorgung mit Trinkwasser nicht den Binnenmarktregelungen unterworfen wird. Der Landtag appelliert an alle Beteiligten sich gegen die Liberalisierung und Privatisierung der öffentlichen Trinkwasserversorgung einzusetzen und die Versorgung mit hochwertigem Trinkwasser als Aufgabe der kommunalen Daseinsvorsorge sicherzustellen. Hintergrund ist, dass die Konzessionsrichtlinie der EU-Kommission die Einführung einer formalisierten Ausschreibungspflicht für Dienstleistungskonzessionen vorsieht. So genannte Dienstleistungs-Konzessionen - also auch die für die Trinkwasserversorgung - sollen demnach künftig dem normalen Vergaberecht unterworfen werden. Es ist nicht ersichtlich, welche unmittelbaren Vorteile sich durch eine europaweite formale Ausschreibungspflicht für Dienstleistungskonzessionen für die Verbraucher ergeben sollen. Das Argument sinkender Preise durch einen stärkeren Wettbewerb ist - jedenfalls für den Bereich der Trinkwasserversorgung - nicht haltbar.

CDU-Sprecher Wolf-Dieter Ringguth, der in Vertretung des erkrankten CDU-Wasserexperten Burkhard Lenz sprach, betonte, dass Trinkwasser öffentlicher Anbieter derzeit sinnvollerweise nur zu den tatsächlichen Kosten, also ohne Profit verkauft wird. Bei der Privatisierung des Trinkwassers würde es aufgrund des Profitgedankens zu Kostenerhöhungen und wegen der Sparzwänge zur schlechterer Qualität der Wasserversorgung kommen. Bestes Beispiel sei England. Hier hätten private Anbieter Gewinne auschließlich ausgeschüttet und nicht reinvestiert, was im Frühjahr 2012 zu massiven Engpässen und sogar Ausfällen bei der Versorgung geführt habe. Wie sehr die Menschen das Thema bewegt, zeige die Beteiligung von über 1 Mio. Menschen an der Right2Water-Kampagne. Europa solle Sachverhalte deshalb nur dort neu regeln, wo es sinnvoll sei. Die vom Binnenmarktausschuss beschlossenen Ausnahmen seien übrigens nur bis 2020 befristet und keineswegs rechtssicher - im Zweifel also nur Lippenbekenntnisse.

Verbraucherschutzminister Dr. Till Backhaus formulierte am heutigen Weltwassertag die klare Ablehnung der Landesregierung zur Privatisierung der Wasserrechte. Ohne Sonne und Wasser gebe es kein Leben und nur 0,8 Prozen der weltweiten Wasservorräte seien als Trinkwasser nutzbar, was den Stellenwert genau so hervorhebe wie die Tatsache, dass seit 1950 allein 44 kriegerische Auseinandersetzungen ums Wasser stattgefunden hätten. M-V als wasserreichstes Land der Bundesrepublik müsse diesen Schatz deshalb schützen und erhalten. Trinkwassersicherheit sei im Übrigen auch ein internationales Thema. Bestes Beispiel seien die grenzüberschreitenden Flussläufe, deren Nutzungsrechte nicht immer hinreichend geregelt seien. Spanien und Portugal seien übrigens exemplarische Beispiele, was passiere, wenn die Daseinsvorsorge im Trinkwasserbereich privatisiert werde. Hier seien die Preise in die Höhe geschossen. Abschließend zitierte Backhaus einen UN-Beschluss, der den Zugang zu Wasser als Menschenrecht definiere. Dem stehe die ungeheuere Zahl von 5.000 Menschen gegenüber, die täglich sterben müssten, weil sie keinen Zugang zu Wasser hätten. Der Handel mit Wasserrechten sei deshalb nicht nur eine Angriff auf Nachhaltigkeit und Ressourcenschutz, sondern auch auf die Menschlichkeit.

Der Ex-Europaabgeordnete André Brie (DIE LINKE) deckte auf, dass sich die EU in der Wasserfrage seit 2003 von den großen Versorgungskonzernen beraten lasse, die von der Dienstleistungsrichtlinie massiv profitieren würden. Leider habe sich auch die Bundesrepublik im Rahmen der Krisenbekämpfung für Privatisierungen im Sektor der Daseinsvorsorge stark gemacht. So habe die Troika die Privatiserung der Wasserversorgung in Portugal durchgesetzt, was den Menschen dort jetzt "auf die Füße falle". Der große Widerstand in Deutschland habe inzwischen aber auch bei der EU-Kommission zur Kompromissbereitschaft geführt, auch wenn der Königsweg 100 % kommunales Eigentum bei der öffentlichen Daseinsvororge wäre. Mit einem Änderungsantrag wolle seine Fraktion den Koalitionsantrag ansonsten noch inhaltlich und formal ergänzen.

SPD-Kommunalexperte Heinz Müller verdeutlichte, dass die Pläne der EU-Kommission, eine Ausschreibungspflicht für Dienstleistungskonzessionen einzuführen, auf die klare Ablehnung der SPD-Landtagsfraktion stoßen. Damit würden die Schleusen zur Liberalisierung der öffentlichen Wasserversorgung geöffnet. Deshalb forderten die Sozialdemokraten, öffentliche Träger der Wasserversorgung, wie Stadtwerke oder kommunale Zweckverbände, aus dem Anwendungsbereich der EU-Richtlinie herauszunehmen. Die Kommunen müssten auch in Zukunft eigenverantwortlich Leistungen der Daseinsvorsorge in hoher Qualität für die Bürgerinnen und Bürger erbringen können. Wasser sei ein lebensnotwendiges Gut und keine Handelsware. Deshalb müsse eine qualitativ hochwertige und bezahlbare Wasserversorgung zentrales Ziel der Politik sein. Auch wenn der Richtlinienentwurf keine Privatisierungen vorschreibe, würde sich der Druck auf die Kommunen zu privatisieren massiv erhöhen. Denn er würde privaten Anbietern den Zugang zum milliardenschweren Wassermarkt erleichtern. Der hohe Qualitätsstandard des Trinkwassers in Deutschland sei aber in besonderem Maße auf die von den Kommunen verantwortete Wasserversorgung zurückzuführen. Die Trinkwasserversorgung als wesentlicher Teil der kommunalen Daseinsvorsorge habe sich in ihren Strukturen über viele Jahrzehnte bewährt und garantiere die zuverlässige Belieferung der Bürgerinnen und Bürger mit hochwertigem Trinkwasser zu bezahlbaren Preisen. Eine Liberalisierung des Wassersektors, die die Wasserversorgung allein den Regeln des Marktes unterwerfe und dem kommunalen Aufgabenbereich der Daseinsvorsorge entziehe, stehe dem Interesse des Allgemeinwohls klar entgegen. Den Änderungsantrag der LINKEN bezeichnete Müller als "kleinkariert", während er dem Antrag der GRÜNEN bescheinigte, dass ihm der Punkt der kommunalen Zusammenarbeit gern selbst eingefallen wäre.

GRÜNEN-Sprecher Johannes Saalfeld warb dann auch für Zustimmung zum Änderungsantrag seiner Partei, auch wenn sonst bereits fast alles gesagt sei. Grundsätzlich komme es darauf an, die schleichende Privatisierung der Daseinsvorsorge in allen Sektoren zu verhindern! Der CDU bescheinigte er eine zwiespältige Haltung. Einerseits beschließe der Bundesparteitag die Ablehnung der Richtlinie zur Trinkwasserprivatisierung - andererseits lasse Kanzlerin Merkel FDP-Wirtschaftsminister Rösler auf EU-Ebene freie Hand bei der gefährlichen Liberalisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge.

In der Abstimmung sprachen sich erwartungsgemäß alle Fraktionen für den Koalitionsantrag aus. Auch der Änderungsantrag der GRÜNEN wurde einstimmig angenommen, während der Änderungsantrag der LINKEN keine Mehrheit erhielt.