Beim Thema Sicherungsverwahrung scheiden sich regelmäßig die Geister. Zu teuer und luxuriös sagen die Einen, rechtsstaatlich bedenklich kritisieren die Anderen. Doch genauso wie die Opfer ein Recht auf Schutz, haben schwerstkriminelle Straftäter mit Wiederholungspotenzial nach Verbüßung ihrer Strafe ein Recht auf Abstand zur regulären Haft. Diesem Spagat hat sich das Land nun erfolgreich gestellt. Kritik blieb dennoch nicht aus.
In zweiter Lesung hat der Landtag heute das Gesetz über den Vollzug der Sicherungsverwahrung in Mecklenburg-Vorpommern (SVVollzG M-V) (Drs. 6/1476) beraten. Zur Verabschiedung wurde ein Gesetzentwurf vorgelegt, der die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umsetzt und die Leitlinien des Bundes für den Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung konkretisiert. Das Bundesverfassungsgericht hatte mit Urteil vom 4. Mai 2011 die wesentlichen Regelungen zur Sicherungsverwahrung für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt. Es hat den Gesetzgebern in Bund und Ländern aufgegeben, bis 1. Juni 2013 ein Gesamtkonzept der Sicherungsverwahrung zu entwickeln, das dem verfassungsrechtlichen Abstandsgebot Rechnung trägt, wonach sich der Vollzug der Sicherungsverwahrung vom Vollzug der Strafhaft deutlich zu unterscheiden hat. Die Landesgesetzgeber hatten deshalb das Abstandsgebot sichernde Regelungen für den Vollzug zu treffen, die einen freiheitsorientierten und therapiegerichteten Vollzug gewährleisten.
Der Vorsitzende des Rechts- und Europaausschusses, Detlef Müller (SPD), erwähnte in seiner Einbringung der Beschlussempfehlung zunächst den strammen Zeitplan der Anhörungen und dankte allen Sachverständigen für die mündlichen und schriftlichen Stellungnahmen. Trotz durchaus unterschiedlicher Ansichten in den Anhörungen lege man nun einen Gesetzentwurf vor, der eine weitestgehend einheitliche Unterbringung Sicherungsverwahrter in ganz Deutschland gewährleiste. Möglich sei dies durch einen gemeinsamen Gesetzentwurf von zehn Bundesländern. Im Zuge der Ausschussberatungen habe man lediglich einige Änderungen redaktioneller Art einfügen müssen.
Justizministerin Uta-Maria Kuder zeigte sich erfreut, dass sowohl der Zeitrahmen als auch die qualitativen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes eingehalten wurden. Bezüglich der Finanzierung und des Baugeschehens richte sich der Dank an das Finanzministerium und den Betrieb für Bau und Liegenschaften. Mecklenburg-Vorpommern sei nunmehr in der Lage, fristgerecht eine verfassungskonforme Sicherungsverwahrung anbieten zu können. Bereits vorab geäußerter Kritik bezüglich der hohen Standards bei der Unterbringung entgegete sie, dass die Sicherung der Bevölkerung vor gefährlichen Straftätern oberste Priorität habe.
LINKEN-Rednerin Barbara Borchardt kritisierte die Beratungen im Europa- und Rechtsausschuss. Es sei leider keine gemeinsame Beschlussempfehlung möglich gewesen, da die Koalition lediglich sprachliche Korrekturen, aber sonst keine substanziellen Änderungen zugelassen habe. Als besonders problematisch für die Verwahrten erachte die LINKE Einschränkungen des Kontaktes nach außen, die nicht selbständige Einteilung des Tagesablaufes und die Vergütung von lediglich 16 % des üblicherweise gezahlte Entgeltes bei Arbeit innerhalb der Verwahrung. Hier hätten Gutachter Vorschläge in Richtung 30 % gemacht, die aber ignoriert wurden. Befürchtungen äußerte Borchardt auch in Richtung Personalausstattung. Es dürfe nicht passieren, dass das Personal zur Sicherungsverwahrung aus dem normalen Vollzug abgezogen werde.
SPD-Rechtsexpertin Stefanie Dreese sprach von juristischem Neuland, das das Land mit dem Gesetz betrete. Das Bundesverfassungsgericht habe aber konkrete Gebote formuliert, dem das Land folgen musste. Das Gesetz garantiere ihrer Auffassung nach, dass der Vollzug therapiegerichtet und freiheitsorientiert ausgestaltet werde. Zudem würden die Sicherungsverwahrten ausreichend Raum zum Wohnen und Schlafen erhalten, auch sei Selbstverpfleguung und offener Vollzug möglich, sofern wissenschaftlich begründet vertretbar. Man müsse immer bedenken, dass es bei der Sicherungsverwahrung um die Verhinderung zukünftiger Taten und nicht um Buße für früher begangene Taten gehe. Kern der Unterbringung sei deshalb auch eine Entwicklung in Richtung Freiheit - nach wissenschaftlich fundierter Begutachtung und unter Wahrung der Interessen der Opfer. Es gehe also um Freiheit nach innen und größtmögliche Sicherheit nach außen.
GRÜNEN-Fraktionschef Jürgen Suhr verwies auf die nicht unerheblichen Fehler bei der Beurteilung der Straftäter. Neuesten Erkenntnissen nach würden etwa 40 bis 50 % der Sicherungsverwahrten fehlerhaft beurteilt und demnach fälschlicherweise sicherungsverwahrt werden. Seine Fraktion ziehe daraus aber nicht den Schluss, die modernisierte Sicherungsverwahrung komplett abzulehnen, sondern fordere, mit den Resozialisierungsmaßnahmen so frühzeitig zu beginnen, dass falsche Einschätzungen vorheriger Gutachten im Zweifel revidiert werden könnten. Mit dem jetzigen Gesetz habe es die Landesregierung allerdings versäumt, genügend Perspektiven für die spätere Freiheit zu gewährleisten. In diese Richtung zielten einige Änderungsanträge seiner Fraktion, von deren Zustimmung die GRÜNEN ihre Zustimmung zum Gesamtpaket abhängig machen würden.
In einer langwierigen Einzelabstimmung wurde das Sicherungsverwahrungsgesetz letztendlich mit den Stimmen der Koalition beschlossen. Die Änderungsanträge der GRÜNEN wurden von den Koalitionsfraktionen abgelehnt und erhielten lediglich die Zustimmung der LINKEN.