Dass ein SPD-Abgeordneter Guido Westerwelles Logik lobend hervorhebt, dürfte in deutschen Parlamenten eher selten vorkommen. Angesichts einer Landes-FDP, die im Stile einer Horst-Schlämmer-Partei ständig "wir brauchen mehr" schreit, hatte diese Ausnahme aber durchaus ihre Berechtigung. Denn ginge es nach den Liberalen im Land, würde jeder Schüler im Land ab sofort seinen individuellen Schultransport erhalten - unhabhängig von Entfernung und Landesfinanzen. Das fiele vermutlich nicht mal Dr. Westerwelle ein.
Mit ihrem Antrag "Freie Schulwahl und Mobilität für M-V" (Drs. 5/3296) hatte die FDP in der heutigen Landtagssitzung die Abschaffung der Schuleinzugsbereiche und der örtlich zuständigen Schule sowie das Einfrieren aller Zuweisungen für den ÖPNV auf dem Stand von 2009 bis zum 31.12.2011 zugunsten der Planungssicherheit für Kommunen und Verkehrsbetriebe gefordert. Als Begründung nennen die Liberalen eine Vermeidung finanzieller Benachteiligung für Bürgerinnen und Bürger sowie die Sicherstellung einer größtmöglichen Mobilität. Neben einer Abstimmung zwischen Schulgesetz und ÖPNV solle auch eine Entfernungspauschale für den Schulweg zum nächst gelegenen Schultyp unabhängig von der Trägerschaft eingeführt werden. Ziel sei die Schulwegsicherung bei der freien Schulwahl ab dem Schuljahr 2010/11.
SPD-Bildungsexperte Mathias Brodkorb wies den Antrag als Ablenkungsmanöver zurück. Der FDP ginge es im Grunde lediglich um eine Besserstellung der Schulen in freier Trägerschaft. Das Schulgesetz regele einen Mindeststandard, der die Fahrt zur örtlich zuständigen Schule gewährleiste - und zwar bis zum Abitur! Fahrtkostenübernahmen zu weiter entfernt gelegenen Schulen lägen dagegen im Ermessen der Kommunen. Es sei armselig, wenn derartige Forderungen an das Land gestellt würden. Als Bürgermeister seiner Gemeinde könne FDP-Bildungsexperte Hans Kreher aber natürlich gern Geld für die individuelle Schülerbeförderung auf den Tisch legen und so mit gutem Beispiel vorangehen.
Die so zurecht gewiesenen Liberalen beharrten auf ihren Erkenntnissen zur Unvereinbarkeit von "örtlich zuständiger Schule" und "freier Schulwahl". Man schaffe Fakten für einkommensschwache Haushalte und spiele Eltern und Träger freier Schulen gegeneinander aus. Fraktionschef Michael Roolf sah sogar das Überleben des ÖPNV in Gefahr, dessen Existenzberechtigung unmittelbar mit der Schülerbeförderung verbunden sei. Die Landesregierung verhindere Reformen im Schulwesen und im ÖPNV.
Derartige Äußerungen riefen erneut Brodkorb auf den Plan: „Ich habe vor dem Hintergrund dieser Debatten sogar einen gewissen Respekt vor Herrn Dr. Guido Westerwelle. Ich finde die Positionen, die er vertritt, zwar abstrus, aber sie sind in sich logisch. Er sagt, lasst uns mal die Sozialleistungen kürzen, die Hartz IV-Empfänger richtig ran nehmen, dann können wir auch die Steuersätze ordentlich nach unten ballern und wenn man weniger ausgibt, muss man auch nicht mehr so viel Geld einnehmen - das hat in sich eine gewisse Logik. Was Sie hier in MV aber fordern, ist: wir wollen die höchsten Sozialleistungen, die höchsten Leistungen des Staates und möglichst keine Steuern. Dazu kann ich nur sagen, das ist nicht Dr. Guido Westerwelle, das ist Horst Schlämmer: Wir haben zu wenig, wir brauchen von allem mehr! Sie sind in Mecklenburg-Vorpommern die Horst-Schlämmer-Partei und das haben Sie mit diesem Antrag wieder einmal unter Beweis gestellt.“
LINKEN-Bildungspolitiker Andreas Bluhm und Bildungsminster Henry Tesch (CDU) waren sich ungewohnt einig: Beide betonten die Notwendigkkeit der Festlegung von Schuleinzugsbereichen, um eine vernünftige Schulnetzplanung zu machen und den Rechtsanspruch auf ein flächendeckendes Bildungsnetz zu gewährleisten. Zudem müsse sich der ÖPNV auf das Schulgesetz und nicht das Schulgesetz auf den ÖPNV einstellen. Das Land gebe bereits weit mehr Mittel in den ÖPNV als dies nach dem Gesetz erwartet werden könne.
Weiteres Highlight der Debatte war die Antwort Krehers auf die Frage Brodkorbs, warum er denn in den diesbezüglichen Beratungen im Bildungsauschuss keine Fragen gestellt hätte: Antwort: Er wollte den Minister wegen desssen mangelhafter Vorbereitung auf die ÖPNV-Problematik nicht blamieren.
Der Antrag erhielt erwartungsgemäß nur die Stimmen der FDP.