Nachdem das Thema Werften bereits gestern aufgrund der Demonstration von Werftarbeitern vor dem Landtag heiß diskutiert worden war, fand es heute auch Eingang in die parlamentarische Tagesordnung. Die aktuellen Informationen über einen millionenschweren Schiffbau-Auftrag ließen allerdings trotz aufkeimender Hoffnungen noch keine Euphorie aufkommen. Denn noch wird von allen Beteiligten hart darum gekämpft, dass der Auftrag am Ende auch finanziert werden kann. Dazu muss der Unternehmer einen größtmöglichen Eigenanteil leisten und auch der Bund muss mitziehen. Unter diesen Voraussetzungen - so machte der Ministerpräsident heute unmißverständlich klar - würde die Landesregierung auch die Transfergesellschaften verlängern.
Mit ihrem Antrag "Unternehmerverantwortung für die Werftstandorte endlich wahrnehmen – Öffentliche Unterstützung zielgerichtet gewähren" (Drs. 5/3289) haben die Koalitionsfraktionen den Eigentümer und den Insolvenzverwalter heute aufgefordert, zu ihrer Verantwortung und den geschlossenen Verträgen zu stehen. Zudem wird die Landesregierung gebeten, beide bei ihren Anstrengungen zu unterstützen und gemeinsam mit dem Bund alle verantwortbaren Maßnahmen zu ergreifen, gegebenenfalls vorliegende bankenfinanzierte Aufträge abzusichern.
In seiner Einbringungsrede nannte SPD-Wirtschaftsexperte Jochen Schulte den Schiffbau mehr als einen beliebigen Arbeitsplatz. Er sei neben der Ernährungswirtschaft das wichtigste verarbeitende Gewerbe, das noch 2008 4.600 Menschen beschäftigt und seit 1990 2,3 Mrd. Euro Investitionsbeihilfen zumeist vom Bund erhalten habe. Schulte betonte, dass das Land keine Aufträge einwerben könne - das sei und bleibe die Verantwortung des Unternehmers. Der Eigentümer dürfe trotz schwieriger Lage nicht aus seiner Verantwortung entlassen werden. Der zunehmende Druck von Seiten des Landes habe erste positive Ergebnisse gebracht. Dem ersten Auftrag müssten aber weitere Aufträge folgen, wobei das Land alles unternehmen werde, um zu helfen und für die Menschen eine Zukunftsperspektive zu schaffen. Eigentümer Jussofov müsse aber auch konkret deutlich machen, dass er an die Zukunft beider Standorte glaube und die für den Auftrag benötigten Mitarbeiter unbefristet einstellen. Für den Fall, dass der vielzitierte Auftrag von Norilsk Nickel finanziert werden kann, müsse verhindert werden, dass die Belegschaft auseinanderbreche. Damit sei die Verlängerung der Transfergesellschaften gemeint.
Helmut Holter, dessen Fraktion Die LINKE die Landesregierung in einem eigenen Antrag (Drs. 5/3283) aufgefordert hatte, ein industriepolitisches Konzept zur strukturellen und innovationsbezogenen Entwicklung aller maritimen Standorte einschließlich der Zulieferer in M-V zu erarbeiten sowie dafür Sorge zu tragen, dass die Laufzeit der Transfergesellschaften bis Ende Juli 2010 verlängert werde, sah Bund, Landesregierung und die Familie Jussufov in einem Boot. Neben einer bedingungslosen Verlängerung der Transfergesllschaft forderte Holter die Öffnung der Standorte für andere Industriezweige.
Ministerpräsident Erwin Sellering hob die reale, aber auch die symbolische Bedeutung der Werften, Häfen und Produzenten an der Kaikante hervor. Ziel der Landesregierung sei es deshalb, die Werftstandorte zu erhalten. Dies habe die Landesregierung in der Vergangenheit bereits unter Beweis gestellt: durch das Darlehen im Dezember 2008, das erfolgreiche Bemühen, die Werften unter den Schutzschirm des Bundes zu bringen, die Bürgschaften für die Fertigstellung der Stena-Fähren und nicht zuletzt durch ihre Beteiligung an den Transfergesellschaften. Dafür, dass die endgültige Rettung der Werften gelingt, könne er zwar keine Garantie geben, wohl aber dafür, dass die Regierung hart für dieses Ziel arbeiten werde. Im Übrigen habe auch die Bundesregierung erklärt, dass sie weiterhin den Schiffbau in Deutschland wolle. Der Ministerpräsident hob hervor, dass es jetzt bis zum 24. März 2010 darauf ankomme, dass alle Beteiligten - der Unternehmer, der Bund und das Land - eine Finanzierung des Norilsk Nickel-Auftrages zustande brnigen und der Unternehmer sich verbindlich dazu äußere, wie viele Mitarbeiter für die Bearbeitung dieses Auftrags sowie weiterer Folgeaufträge beschäftigt werden können. In diesem Fall sicherte der Regierungschef zu, dass aus Sicht der Landesregierung die Grundlage für eine Verlängerung der Transfergesellschaften gegeben sei.
Die Liberalen im Landtag mogelten sich um eine klare Position herum. Unter dem Vorwand, dass die 240 Zulieferer im Koalitionsantrag nicht ausreichend gewürdigt worden seien, und die LINKE eine Rückkehr zur sozialistischen Staatsindustrie beabsichtige, verweigerten sie beiden Anträgen ihre Zustimmung.
In einer jeweils getrennten namentlichen Abstimmung zu beiden Anträgen erhielt der Koalitionsantrag die Mehrheit des Landtages, während der Antrag der LINKEN, insbesondere wegen seiner bedingungslosen Forderung nach einer Verlängerung der Transfergesellschaft auch ohne Zukunftsperspektive für die Werften, abgelehnt wurde.