Der Landtag befasste sich heute in einer emotionsgeladenen Debatte mit dem Thema Waldtausch zwischen dem Land und der Familie Rethmann. Stein des Anstosses sind unterschiedliche Auffassungen zur Bewertung des Waldes. Pikant: Ausgerechnet die GRÜNEN kritiseren die verwendete Waldbewertungsrichtlinie 2000. Sie stammt von der Vorzeige-GRÜNEN Renate Künast.
In verbundener Aussprache wurden heute je ein Antrag der Landesregierung (Drs. 6/1475 und 6/1930) und ein Antrag der GRÜNEN (Drs. 6/1897) behandelt, die sich beide mit dem bevorstehenden Waldtausch der Landesforstanstalt mit der Gut Stieten GmbH & Co. KG befassen. Während der Antrag der Landesregierung nach ausführlicher Beratung im Finanz- und Agrarausschuss bereits die abschließene Abstimmung herbeiführen sollte, forderten die GRÜNEN noch einmal die Prüfung der Risiken. Der Antrag der GRÜNEN (in alleiniger Aussprache) war ursprünglich als taktisches Manöver gedacht, um das Thema öffentlich "am Köcheln" zu halten. Mit der abschließenden Beratung des Regierungsantrages in der aktuellen Mai-Sitzung dürfte aber ein Schlusspunkt gesetzt sein. Hintergrund: Im Ergebnis der Beratungen und der öffentlichen Anhörung sind die Koalitionsfraktionen zu der Überzeugung gelangt, dass der Tausch wertgleich erfolgen soll und zur Sicherung von Arbeitsplätzen im Bereich der Landesforstanstalt Mecklenburg-Vorpommern führt. Das dem Tausch zugrunde liegende Wertgutachten wurde nach einem bundesweit anerkannten Verfahren erstellt. Dieses Verfahren sei nur von einem der insgesamt acht angehörten Sachverständigen in Frage gestellt worden. Die Waldbewertungsrichtlinie 2000 bewertet die Wertrelationen der Tauschflächen für langfristig damit wirtschaftende Forstbetriebe. Die von den Fraktionen BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE geforderte Ermittlung des Waldrentierwertes ist für eine langfristige Bewertung der Wertrelationen nicht geeignet. So sind z. B. Marktsituation und Preis stetigen Schwankungen unterlegen und können langfristig nicht seriös abgeschätzt werden.
Nach Einbringung der Beschlussempfehlung des Agrarausschusses durch dessen Vorsitzenden Prof. Dr. Fritz Tack (DIE LINKE) brachte Dr. Ursula Karlowski den Antrag der GRÜNEN ein. Sie bezeichnete öffentlichen Wald als hohes Gut. Deshalb sei es folgerichtig, dass die Bevölkerung in der Frage von Tausch und Veräußerung sensibel sei. Die Anhörung habe nach Auffassung der GRÜNEN gezeigt, dass das Land beim Tausch den Kürzeren ziehen könnte. Auch hätten mehrere Gutachter die beiden Haupttauschzwecke, den Arrondierungs- und den Beschäftigungseffekt, als nicht vorranging bezeichnet. Auch sei zu bezweifeln, dass das neue Waldgebiet des Landes dazu beitragen könne, dass die Landesforstanstalt irgendwann ohne Zuschüsse leben könne, so dass man fragen müsse, welcher Grund bestehe, einen attraktiven Gewinnforst abzugeben. Mit dem Tausch widerspreche die SPD zudem ihrem Parteiprogramm, das sich gegen die Konzentration von Bodeneigentum in privater Hand ausspreche.
Agrar- und Forstminister Dr. Till Backhaus (SPD) wehrte sich gegen den Vorwurf, der Tausch würde dem Land schaden. Er sei darauf vereidigt, das Eigentum des Landes zu mehren. Die kritisierte Arrondierung finde in M-V regelmäßig statt, z.B. durch Flurneuordnung. Die GRÜNEN suggerierten zudem, das Flächen verkauft würden, es gehe aber um Tausch! Die öffentliche Diskussion zeige im Übrigen wie transparent das Verfahren sei. Zudem arbeite man beim Tausch nach einer bundesweit gültigen und bewährten Richtlinie der damaligen Bundeslandwirtschaftsministerin Reante Künast, die ja bekanntermaßen eine Vertreterin der GRÜNEN sei. Es passe auch nicht ins Bild, wenn die GRÜNEN mit ihrem Antrag neue Gutachten forderten und die Kompetenz der Landesbediensteten in Frage stellten, andererseits aber das sogenannte "Gutachterunwesen" der Landesregierung kritisieren. Alles in allem profitiere das Land, es gebe 182 ha mehr und auch der emotionale Aspekt der Kritik sei unbegründet, denn der getauschte Wald bleibe nach wie vor frei begehbar.
Jeannine Rösler (Die LINKE) rief förmlich ins Plenum, dass ihre Fraktion nicht erkennen könne, wo der Vorteil des Tausches liege, der Landeswald werde weder erhalten noch die Situation verbessert. Nur die vier Gutachter der Befürworter des Tausches hätten den Tausch begrüßt, die anderen vier Gutachter, darunter der Landesrechnungshof, hätten Bedenken vorgetragen und z.B. eine Wirtschaftlichkeitsanalyse gefordert. Das Arbeitsplatzargument bezeichnete sie als marginal, zumal keine neuen Arbeitsplätze entstünden. Alles in allem mache das Land einen schlechten Tausch, nur gehe es nicht wie bei Hans im Glück um Privateigentum, sondern um öffentlichen Wald.
SPD-Forstexperte Thomas Krüger schlug vor, die aufgeheizte Tonart etwas herunterzuschrauben und das Thema sachlich zu behandeln. Er selbst sei in den betroffenen Waldgebieten gewesen und könne deshalb die Vorwürfe der Opposition widerlegen. Es gebe sehr wohl einen Arrondierungseffekt und es handele sich beim Tauschobjekt nicht um wertlosen Monokulturwald! Krüger verteidigte auch die Anwendung der bundeseinheitlichen Richtlinie. So habe man subjektive Aspekte wie z.B. den Verkehrswert bewusst herausgehalten. Das Waldwertgutachten des renommierten und anerkannten Gutachters Prof. Dr. Wolf-Henning von der Wense zum Flächentauschvorhaben sei ansonsten nur von einem der insgesamt acht angehörten Sachverständigen in Frage gestellt worden und zwar von dem von der Fraktion Die GRÜNEN benannten Sachverständigen Holger Weinauge. Dessen Kritik an der Flächenbewertung teilen die Fraktionen von SPD und CDU nichtt. Insbesondere der Einschätzung, dass wertvoller Mischwald mit minderwertigem Kiefernwald getauscht werden sollte, konnte die Koalition nicht folgen. Dass sich fast alle Kritiker, inklusive der Oppositionsfraktionen, nur auf die Minderheitsmeinung des Sachverständigen Weinauge beziehen, während die Analysen anderen Experten keine Beachtung fänden, bezeichnete Krüger als Zerrbild, das mit einer sachlichen und ausgewogenen Auseinandersetzung mit dem Thema wenig zu tun habe.
Beate Schlupp von der CDU verwickelte sich im Anschluss in ein endloses Zwiegespräch mit Zwischenrufern der LINKEN, so dass von ihrem Redebeitrag nur Fragmente zu erhaschen waren. Bemerkenswert war allerdings noch ihre Feststellung, dass selbst dann, wenn die Familie Rethmann ebenfalls einen Vorteil aus dem Tausch ziehen würde, ein Vorteil für das Land entstehen würde: Nämlich ein gestärktes Unternehmen, das weitere Steuereinnahmen erwarten lasse. Die derzeitige Stimmungsmache von Seiten der Opposition führe leider zu einer Diffamierung des verdienstvollen Unternehmers Rethmann.
Auf Antrag der LINKEN fand eine namentliche Abstimmung statt, in der dem Waldtausch mit den Stimmen der Koalition zugestimmt wurde. Der Antrag der GRÜNEN und eine Änderungsantrag der LINKEN fanden folgerichtig keine Zustimmung der Regierungsfraktionen.