Über zu niedrige Löhne in Mecklenburg-Vorpommern wird viel diskutiert. Viele Seiten haben noch mehr Meinungen. Vor allem Aussagen und Forderungen von Dehoga und Vereinigung der Wirtschaftsunternehmen in Mecklenburg-Vorpommern widersprechen sich hierbei häufiger. Dazu erklärt Jochen Schulte, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag:
„Klar ist: Die Löhne in vielen Branchen in Mecklenburg-Vorpommern sind zu niedrig. Häufig wird kein Tariflohn gezahlt. Gefordert sind hier vor allem die Arbeitgeber. Denn für uns ist Fakt: Politik schreibt keine Tarifbindung vor. Das ist rechtlich verbrieft. Die Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern verwahrt sich immer wieder lautstark gegen jegliche politische Einflussnahme bei der Tarifbindung für Unternehmen. Besonders laut tut das die Vereinigung der Unternehmensverbände MV. In Person, der Chef des Arbeitgeberverbandes, Lars Schwarz.
Erst im Juni wetterte er über die höheren Landesförderungen für Unternehmen, die nach Tarif zahlen. Laut Lars Schwarz ist ‚das für die Arbeitgeber eine klare Grenzüberschreitung. Denn es stigmatisiert die vielen nicht tarifgebundenen Unternehmen im Land.‘ Er meint, wir würden nicht tarifgebundene Unternehmen politisch und wirtschaftlich diskriminieren. Nein, das tun wir nicht! Vielmehr belohnen wir Unternehmen, die anständig bezahlen.
Aber so richtig absurd werden seine Aussagen, wenn man bedenkt, dass dieser Tausendsassa Lars Schwarz selbst Vollblut-Gastronom, Bürgermeister und auch Dehoga-Chef, also der oberste Lobbyist für Gastgeber in Mecklenburg-Vorpommern, ist. Als letzterer widerspricht er gern seinem anderen Ich als VU-Arbeitgeberlobbyist. So tönte Dehoga-Schwarz zu Jahresbeginn, man habe in MV Hausaufgaben gemacht und Tarifverträge mit dreieinhalb Jahren Laufzeit ausgehandelt. Nur hapere es an der Durchsetzung, da zu wenige Betriebe aus Gastronomie und Hotellerie gewerkschaftlich gebunden seien. Fakt ist also: Dehoga-Schwarz fordert mehr Tarifbindung. VU-Chef Schwarz will davon nichts hören, sondern schiebt der Politik den Schwarzen Peter rüber.
Denn wieder in die Rolle des VU-Chefs geschlüpft, will er, dass die Politik die richtigen Anreize für mehr Wertschöpfung und damit für mehr Beschäftigung sowie Steuereinnahmen setzt. Wirtschaftslobbyist Schwarz will Fachkräfte sichern – mit weniger Versteuerung und weniger Sozialversicherungspflicht für Unternehmen. Und das bedeutet wirklich ein Mehr an Lohn?
Arbeitskräfte sind im Tourismus nicht erst seit der Corona-Pandemie rar. Aber seitdem klagen in MV mehr als die Hälfte der Tourismusbetriebe über noch mehr Wechsel von Beschäftigten in andere Branchen. Warum wohl? Aus Perspektivlosigkeit, heißt es vom Degoha. Gemeint sind vor allem die Folgen des Lockdowns. Über niedrige Bezahlung und das Übermaß an Überstunden der Arbeitskräfte wieder kein Wort – weder von Schwarz, noch von Schwarz.
So bleibt das eigentliche Problem unangetastet: Azubis und qualifizierte Fachkräfte werden gleichermaßen mit niedrigen Löhnen abgespeist. Spannend bleibt also, welcher Lars Schwarz wann was fordert. Will er mehr qualifizierte Fachkräfte und für die bessere Löhne oder will er den Maulkorb für die Politik und Niedriglöhne für die Arbeitenden? Oder fordert er dann einfach wieder neue Fachkräfte aus dem Nicht-EU-Ausland? Vielleicht weil die Arbeitskraft noch billiger ist?
Irgendwie erinnert das an seinen VU-Geschäftsführer Sven Müller. Der meinte: ‚Wer glaubt, durch ein Tariftreue-Gesetz mehr Tarifbindung zu erwirken, glaubt auch, dass Weihnachtsmann und Osterhase gemeinsam Urlaub machen.‘ Dann können wir nur darauf antworten: Egal ob und wo die beiden zusammen Urlaub machen - man muss sich diesen auch leisten können. Und genau dafür brauchen wir mehr Tariflöhne. Vielleicht sollten sich Lars Schwarz und Sven Müller mal zusammen Weihnachtsmann und Osterhasen anschauen. Gute Ideen entwickelt man bekanntlich zusammen besser.“
07. Juli 2021