Damit alles beim Alten bleibt, muss sich ab und an etwas ändern, sagt eine geistreiche Redewendung. Dass diese Einsicht noch nicht bei allen Protagonisten im Bereich der EU-Agrarförderung angekommen ist, zeigte die heutige Aktuelle Stunde. Die Koalitionspartner waren sich in dieser heiklen Frage uneinig, ebenso die beiden Oppositionsfraktionen, von denen eine die SPD-Position unterstützte und die andere die CDU-Auffassung teilte.
In seiner Aktuellen Stunde debattierte der Landtag heute auf Initiative der SPD-Fraktion die Zukunft der europäischen Agrarpolitik und die Entwicklung der ländlichen Räume. Hintergrund der Themenwahl war unter anderem die Agrarministerkonferenz, die erst vor kurzem stattgefunden hatte. Hauptthema dort war, dass die neue Förderperiode der Gemeinsamen Agrarpolitik 2014 beginnt und die Eckdaten jetzt definiert werden müssen. Für Mecklenburg-Vorpommern, das in hohem Maße auf Mittel der EU-Agrarförderung angewiesen ist, ist es daher von vitalem Interesse, seine Vorstellungen in den Diskussionsprozess einzubringen. Entsprechend hatten Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus und der agrarpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion ein zukunftsweisendes Diskussionspapier vorgelegt, dessen Inhalt sich die Mehrheit der Länderagrarminister aber nicht anschließen wollte. Sie forderten vielmehr eine Fortsetzung der bisherigen, rein flächenbezogenen Förderung.
SPD-Agrarexpertin Ute Schildt, wies anhand eines kurzen geschichtlichen Rückblicks auf die EU-Agrarförderung nach, dass es auch in der Vergangenheit Paradigmenwechsel in der europäischen Agrarpolitik gegeben habe. Sie unterstützte im Namen der Sozialdemokraten das Backhaus-Papier, nach dessen Vorstellung die so genannte erste Säule mit den Pauschalzahlungen nach bewirtschafteter Fläche in ein dreistufiges System umgewandelt werden soll. Dieses System beruht auf einem pauschalen Grundsockel nach Fläche und wird ergänzt durch leistungsbezogene Kriterien, etwa für den Ökolandbau, den Verzicht auf Gentechnik, Maßnahmen für den Naturschutz, die Erzeugung und Nutzung von Bioenergie oder die Schaffung von Arbeitsplätzen. Schildt sprach sich für eine sinnvolle Förderung aus, die nicht nur die Sicherstellung der Ernährung und der landwirtschaftlichen Produktion unterstütze, sondern auch für Nachhaltigkeit und lebenswerte Strukturen im ländlichen Raum sorge. Zudem müsse man sich darauf einstellen, dass tendenziell eher weniger denn mehr Geld zur Verfügung stehe, so dass es auf effizienten Einsatz der Mittel ankomme.
Große Unterstützung erhielten die Sozialdemokraten aus den Reihen der LINKEN. Fraktionschef Helmut Holter nannte die europäische Agrarpolitik eines der wichtigsten Themen. Er bedaure, dass sich auch der Bauernverband den konservativen Beschlüssen der Agrarministerkonferenz angeschlossen habe und ein wenig zielführendes „Weiter so“ befürworte.
Weniger Unterstützung gab es hingegen von CDU und FDP. Renate Holznagel (CDU) nannte es einen falschen Weg, schon im Vorfeld eine Kompromisslinie aufzuzeigen. Angesichts des laufenden EU-Anhörungsverfahrens dürfe man das Pulver nicht zu früh verschießen und müsse in der EU mit einer Stimme sprechen. Im Interesse der hohen Standards und marktfähiger Preise blieben produktionsunabhängige Direktzahlungen ein wichtiges Instrument. FDP-Agrar-Expertin Sigrun Rehse sprach sich ebenfalls für eine stringente Beibehaltung der Zahlungen auf Basis der Fläche aus. Änderungsbedarf sehe sie bei der zweiten Säule zur Förderung der Entwicklung des ländlichen Raumes. Diese Mittel müssten mehr Investitionen anregen und dürften nicht in der Verwaltung versickern.
Landwirtschaftminister Dr. Till Backhaus kritisierte in der Debatte den unverhältnismäßig hohen Anteil pauschaler Zahlungen. Seiner Auffassung nach sei der Begriff der Leistungsgesellschaft auch auf die Landwirtschaft anzuwenden, sprich: gezahlt werden soll für erbrachte Leistung. Unsere Landwirte und deren Betriebe seien leistungsfähig und bräuchten sich auch bei einem solchen System nicht verstecken oder gar Befürchtungen haben. Auch nach seinen Vorstellungen soll es einen Leistungskatalog geben, der regelt, dass die Landwirte über die erste Säule ihr Geld verdienen können. Bedauerlich sei, dass die Bundesregierung gegenüber der EU kein Konzept vorgelegt habe, obwohl der EU-Kommissar ausdrücklich dazu ermuntert hatte. Wer aber hoffe, dass bei einem „Weiter so“ am Ende sogar mehr oder gleich viel Geld komme, verschaukle die Leute.