Anlässlich von zwei ähnlich betitelten Anträgen hat der Landtag sich heute mit dem Thema einer sozialverträglichen Energiewende befasst. Dass gleiche Titel keine Garantie für gleiche Inhalte und Einigkeit sind, hat die Debatte dann allerdings mehr als deutlich gemacht.
Rudolf Borchert (SPD) sagte in seiner Einbringung, dass das EEG technologisch und ökonomisch unbestritten ein Erfolgsmodell sei. Sowohl der Solar-, Wind- und Bioenergie wurde zum Durchbruch verholfen. So wurden über 300 000 neue Arbeitsplätze und attraktive Gewinnerzielungsmöglichkeiten für Unternehmen, aber auch für Privatpersonen geschaffen. Klimapolitisch habe der Wechsel zu erneuerbaren Energien zu einer deutlichen Steigerung der Energieeffizienz und zu einer erheblichen Reduzierung der CO2-Emissionen in Deutschland geführt. Aktuell werde jedoch die Kehrseite der Medaille offensichtlich: Die Kosten für die Energiewende stiegen, und die Kosten trügen die privaten Energieverbraucher. Besonders betroffen seien 8 bis 12 Mio. Sozialleistungsempfänger und Geringverdiener, das seien etwa 15 % aller Haushalte. Dadurch könnte nach Ansicht Borcherts die noch vorhandene Akzeptanz der Energiewende erheblich gefährdet werden. Um die Kosten der Energiewende sozial gerechter zu verteilen, fordere die Koalition deshalb, die Energiesubventionen von Industrieunternehmen kritisch zu überprüfen. Ausnahmegenehmigungen bei der EEG-Umlage, bei Stromnetzentgelten und bei der Besteuerung müssten deutlich reduziert und auf Härtefälle beschränkt werden. Zum Jahreswechsel habe die schwarz-gelbe Bundesregierung allerdings die Ausnahmekriterien deutlich erleichtert, sodass eine Antragsflut entstand und die Ausnahme zur Regel zu werden drohe. Entscheidend für künftige Kostensenkungspotenziale sei jedoch, dass eine stärkere staatliche Kontrolle über die Strompreisbildung erfolgt und Kostensenkungen in diesem Bereich auch an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben würden. Unabhängig davon, ob eine Kostendämpfung erreicht werden könne, müsse man aber mit weiteren Strompreiserhöhungen rechnen. Es bedürfe deshalb dringend Maßnahmen, mit denen einkommensschwache Haushalte wirkungsvoll und zielgenau unterstützt werden könnten. Wichtig sei, dass die Haushalte zum Energiesparen befähigt würden, z.B. durch eine kostenfreie Energieberatung oder einer einmaligen Abwrackprämie bei der Entsorgung energieintensiver Altgeräte. Um die Energiepreise in einem erträglichen Maß zu halten, sollten Sozial- oder Stromspartarife eingeführt werden, die einen Grundbedarf günstiger anbieten, für darüber hinausgehende Mengen aber einen höheren Preis ansetzten. Auch die Regelsätze in der Grundsicherung und für Hartz-IV-Bezieher müssen im Zweifel erhöht werden, damit sie auch den durchschnittlichen Stromverbrauch deckten. Genauso müssten Mieten in energetisch sanierten Häusern bezahlbar bleiben. Die Obergrenze für Mieterhöhungen nach energetischer Sanierung sollten von jetzt 11 Prozent auf 9 Prozent gesenkt werden. Eine wichtige soziale Dimension der Energiewende bestehe auch darin, dass die Chance für die Schaffung von gut bezahlten Arbeitsplätzen genutzt werde. In den nächsten zehn Jahren könnten in Mecklenburg-Vorpommern 20.000 neue Arbeitsplätze entstehen. Die finanzielle Beteiligung der Bürger, Kommunen und des Landes an der Erzeugung von erneuerbaren Energien eröffnet die Chance auf Einnahmeverbesserungen und stärke die regionale Wertschöpfung. Von der Landesregierung erwarte man, dass mit der Erarbeitung des neuen Landesenergiekonzeptes die finanziellen und rechtlichen Rahmenbedingungen verbessert würden.
Mignon Schwenke (DIE LINKE) stichelte zunächst gegen die "persönliche Energiewende" der Kanzlerin. Das nunmehr eingelegte Tempo des Ausbaus der erneuerbaren Energien verursache Probleme an den Nadelöhren, es gebe keine Abstimmung, unkonkrete Absichtserklärungen und einen Dauerstreit zwischen Wirtschaftsminister Rösler und Umweltminister Altmaier. Rösler versuche dabei vehement die Macht der vier großen Energiekonzerne zu erhalten. Die Kosten dafür sollen auf die Privathaushalte abgewälzt werden. Interessanterweise stiege die Strompreise für die Verbraucher, obwohl die Strompreise an der Börse in Leipzig stabil sind und Strom sogar zum Negativpreis veräußert werde. Stattdessen stricke man Mythen über die explodierenden Strompreise - angeblich verursacht durch die Erneuerbaren Energien und die Vielfalt der Erzeuger. Zwangsverfahren wie die Sperre seien bei der Stromversorgung völlig unterreguliert - ganz anders als im Mietrechtsbereich. Zudem würden die Energieversorger vor einer Stromsperre keinerlei Rücksprache mit den Sozialbehörden führen. Dadurch, dass die gestiegenen Energiekosten im Regelsatz nur unzureichend berücksichtigt seien, gebe es inzwischen 200.000 Hartz-IV-Haushalte, die schon einmal von Stromsperren betroffen waren - Hartz-IV sei also keine Grundsicherung.
Energieminister Volker Schlotmann (SPD) betonte zunächst, dass das Energiethema inzwischen alle Politikfelder berühre: Innen, Bildung und Forschung, Wirtschaft, Soziales und Umwelt. Es gebe seiner Auffassung nach auf Bundesebene ein strategisches Vorgehen, die Energiewende zu diskreditieren. Dass die Zustimmung der Bevölkerung bröckele - sei deshalb kein Zufall, sondern Teil des Planes. Die Anträge der Koalition und der LINKEN bezeichnete der Minister angesichts steigender Kosten als sinnvoll, genauso wie die Diskussion über mehr Bürgernähe und Beteiligung der Bürger im Rahmen der Energiewende. Den aktuellen Vorstoß von Bundesumweltminister Altmaier zur Strompreisbremse nannte Schlotmann überraschend, da Altmeir wissen müsse, dass der Bundesrat einem solchen Modell nie zustimmen werde. Insofern handele es sich vermutlich um durchschaubare Wahlkampftaktik, allerdings auch das Ende der Investitionssicherheit. Es sei gefährlich, wenn man in einem laufenden Getriebe an einem einzelnen Rad drehen würde. Ansonsten plädiere auch er für die Prüfung der Privilegien beim Netzausbau. Es könne nicht sein, dass der "kleine Mann" allein die Zeche für den jahrelang versäumten Netzausbau zahlen müsse. Zudem sei das Energiesparen bei den Menschen noch nicht angekommen, hier gebe es große Kapazitäten. An die LINKE gerichtet sagte Schlotmann, dass das Verbot einer Strompreissperre nicht die Ursachen bekämpfe - der Grund für eine Stromsperre dürfe erst gar nicht eintreten und die geforderte Strompreisaufsicht hätte dieselben gesetzlichen Rahmenbedingungen wie die Netzagentur bzw. die Kartellbehörde - also keinerlei neue Befugnisse oder Möglichkeiten. Auch die Abschaffung der Stromsteuer sei undifferenziert. Besser wäre seiner Auffassung nach ein reduzierter Steuersatz auf Strom bzw. ein Grundfreibetrag, der steuerfrei bliebe und zum Stromsparen motiviere.
Wolfgang Waldmüller (CDU) nannte die Energiewende einen Zug der nicht gestoppt werden dürfe. Allerdings müsse die Politik Rahmenbedingungen schaffen, um Bürgern, Land und Kommunen die Teilhabe zu ermöglichen, da die Kosten für fossile Energieträger steigen. Auch er legte den Schwerpunkt auf die Verbrauchsreduzierung - z.b. bei der Straßenbeleuchtung wo es 40 % Einsparpotenzial gebe. In den meisten Haushalten seien es immerhin noch 30 % Einsparpotenzial. Klar sei, dass es die Energiewende nicht zum Nulltarif geben könne, aber das EEG müsse möglichst kurzfristig an die gewachsene Marktfähigkeit der erneuerbaren Energien angepasst werden. Den LINKEN-Antrag bezeichnete er als eine Rückkehr zur Planwirtschaft, nicht die Ursachen würden bekämpft, sondern nur die Folgen. Zudem würden bei einem Verbot einer Strompreissperre ordnungsgemäß zahlende Stromkunden benachteiligt. Die Privilegierung bestimmter Stromkunden aus der Industrie sei im Übrigen nach wie vor nicht grundsätzlich verkehrt, sondern notwendig zum Ausgleich von Wettbewerbsnachteilen auf dem Weltmarkt.
Johann-Georg Jäger (Bündnis 90/Die Grünen) lobte die Landesregierung. Ihr sei es zu verdanken, dass sich Mecklenburg-Vorpommern inzwischen auf Platz 3 beim Zubau von regenerativen Energien befinde. Dem Antrag der Koalition könne seine Fraktion auch zustimmen, auch wenn es etwas konkreter formuliert sein könnte. Den LINKEN-Antrag zerpflückte er dann allerdings. So gab es erwiesenermaßen keine Zunahme von Stromsperren, dafür aber mehr Vereinbarungen über Ratenzahlungen bei der Rückzahlung von Stromschulden. Mit der vorgeschlagenen Abschaffung der Stromsteuer würden schlagartig 7,2 Mrd. Euro in der Rentenkasse fehlen und das bei einer verhältnismäßig kleinen Belastung des Einzelnen. Die empfohlene Strompreisaufsicht bedeute einen gigantischen Aufwand, obwohl keinerlei Notwendigkeit besteht, weil es entsprechende Kontrollinstanzen bereist gebe. Einzig vertretbar sei die Forderung nach Abschaffung von Ausnahmeregelungen, darin sei der Antrag allerdings auch deckungsgleich mit dem der Koalition. Kein gutes Haar ließ Jäger an Bundesumweltminister Altmaier, den er irrtümlicherweise erst kürzlich als einen ehrlichen Kämpfer für die Energiewende bezeichnet hatte. Mit dem "Wahlkampfpapier" zur Strompreisbremse sorge er dafür, dass Banken zukünftig Risiko-Aufschläge für Investitionen in erneuerbare Energien einführen werden, was den Strompreis weiter steigen lassen und Investitionen verhindern werde. Altmaier habe sich auf diese Weise komplett disqualifiziert.
Am Schluss der Debatte warb Mignon Schwenke noch einmal verzweifelt um die Überweisung des LINKEN-Antrages in den Energieausschuss. Doch obwohl die Grünen eine Einzelabstimmung des LINKEN-Antrages in die Wege leiteten, lehnten die Koalitionsfraktionen den Antrag vollständig ab. Breite Zustimmung von SPD, CDU und Grünen erhielt hingegen der Antrag der Koalition, bei dem sich die Abgeordneten der LINKEN weitestgehend enthielten.